„It’s not finding what’s lost, it’s understanding what you’ve found“
Treten Sie ein, kommen Sie näher, schauen Sie, staunen Sie! Wir schreiben das Jahr 1911 in New York, die Stadt wächst, langsam verschwindet die Natur, und all die Menschen, die hierherkommen, wollen unterhalten werden! Deshalb fahren sie nach Coney Island, ins Museum von Professor Sardie, denn dort gibt es
ein Mädchen mit Schmetterlingsflügeln
einen Wolfsmann
missgebildete Embryonen, viele Exponate und
Coralie, die lebende Meerjungfrau!
Sie ist Professor Sardies Tochter, gehorsam und still, mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern und der Fähigkeit, sehr lange unter Wasser zu bleiben. Coralie ist im Museum aufgewachsen, ohne Kontakt zu anderen Menschen, sie ist das Geschöpf des Professors und hat keinen eigenen Willen. Bis sie auf Eddie Cohen trifft. Und sich in ihn verliebt. Eddie wiederum stammt aus einer streng orthodoxen Familie, ist mit seinem Vater in die USA geflohen und hat sich später von ihm abgewendet. Schon mit 13 Jahren hat Eddie sein eigenes Geld verdient, indem er verschwundene Menschen aufspürte. Als Hunderte Mädchen in einer brennenden Fabrik ums Leben kommen, die Leiche eines bestimmten Mädchens aber fehlt, erhält Eddie den Auftrag, es zu finden – tot oder lebendig. Er folgt einer Spur, die ihn zu Professor Sardie führt – und zu Coralie …
Alice Hoffman, eine der Königinnen der amerikanischen Unterhaltungsliteratur, ist mir bereits früher begegnet, und ich kenne immerhin zwei ihrer knapp 30 Bücher. Sie denkt sich fantasievolle Storys aus und ist ein Garant für solides Schreibhandwerk, Spannung und ein bisschen Kitsch. Ich habe mir The museum of extraordinary things ganz bewusst für die Flugreise nach Barcelona ausgesucht – etwas Leichtes für unterwegs, in dem ich während der Warte- und Flugzeit schmökern kann, ohne dass es mich so sehr gefangen nimmt, dass ich etwas Wichtiges verpasse (wie mein Flugzeug). Und es war die richtige Wahl, wobei es mir während der Lektüre sogar noch besser gefallen hat als erwartet.
Ich mag es, wenn Autoren sehr sorgsam und verhätschelnd mit ihren Figuren umgehen, das gibt den Büchern eine sanfte und liebevolle Note, was sehr erholsam ist bei all den Ohrfeigen, die sie in den Romanen bekommen, die ich sonst meistens lese. Aus der Sicht von Coralie und Eddie wird diese wildromantische Geschichte rund um menschliche Sensationsgier, einen skrupellosen Professor und ein unheimliches Museum erzählt. Sie spielt in einem New York des Wandels und am Rand einer Zeit, die in Vergessenheit versinkt, und es hat eine düstere, melancholische Stimmung. Das ganze Buch wirkt wie eine vergilbte alte Fotografie, die Wehmut hervorruft und ein Lächeln. Sehr märchenhaft, bezaubernd und schön.
The museum of extraordinary things von Alice Hoffman ist bei Simon & Schuster erschienen und wurde (noch) nicht auf Deutsch übersetzt.