Gut und sättigend: 3 Sterne

Joshua Max Feldman: Das Buch Jonah

IMG_8510Ein Buch mit biblischer Wucht
„Es sind doch bloß Geschichten, Jonah. Bloß Geschichten, die wir uns aus dem zusammenreimen, was uns zugestoßen ist. Wir dichten den Ereignissen Sinn oder Moral an, beschließen, dass sie nur so passieren können, wie es die Vorsehung will und nicht etwa der Zufall.“ Das sagt Judith zu Jonah, als Jonah Judith endlich findet und ihr alles erzählt. Aber beginnen wir am Anfang. Da hat Jonah, 32 Jahre alt, noch seinen Job als Anwalt in New York, Aussichten auf eine Partnerschaft, den Arsch voll Arbeit, eine Freundin namens Sylvia, die ebenfalls zur Elite der Besserverdiener gehört, und eine Geliebte namens Zoey. Nach einem wirren Gespräch mit einem orthodoxen Juden hat er plötzlich Visionen und sieht beispielsweise alle Menschen nackt. Diese Ausnahmezustände erschüttern ihn bis ins Mark: „Da wusste er, was so schlimm an seinen Visionen war, weshalb sie ihn so erschrecken und quälen konnten und sein Leben mit einem Mal so öde und leer erscheinen ließen: Sie stimmten.“ Zunehmend verliert er seine Ziele aus den Augen, und innerhalb kürzester Zeit bricht das Leben, das er so sorgsam und mit viel Mühe aufgebaut hat, um ihn herum in Stücke: Er verliert seinen Job, seine Wohnung sowie beide Frauen – und fast seinen Verstand. Gescheitert geht er nach Amsterdam, wo er Judith trifft. Sie trägt eine tragische Geschichte mit sich herum, denn ihre Eltern sind bei 9/11 gestorben. Ihre gesamte Kindheit und Jugend lang war sie die Beste in der Schule und an der Uni, doch dann warf sie alles hin und arbeitet mittlerweile für einen korrupten Casinobesitzer in L. A. Dort sucht Jonah nach ihr – und nach der Erlösung.

Das Buch Jonah von Joshua Max Feldman ist ein schwergewichtiges Opus. Im Klappentext heißt es: „Mit leichter Hand versetzt Joshua Feldman die biblische Geschichte von Jonah und dem Wal in unsere moderne Welt.“ Dem „leicht“ möchte ich allerdings entschieden widersprechen, denn leicht ist in diesem Roman gar nichts. Sehr schwergewichtig und pathetisch kommt das Debütwerk von Joshua Max Feldman daher – was wohl Sinn macht, wenn man bedenkt, dass er sich zur Inspiration nichts Geringeres als das Alte Testament ausgesucht hat. Um diesen Roman zu verstehen, muss man nicht unbedingt in Bibelkunde bewandert sein, das Original rund um Jona und den Wal zumindest in den Grundzügen zu kennen, hilft aber durchaus. Wobei ich jedoch gestehen muss, dass ich die Parallelen nicht unmittelbar erkennen kann, denn der „echte“ Jona soll ja in Gottes Auftrag einer Stadt von ihrem Untergang künden, wird von einem Wal verschluckt und wieder ausgespuckt. Davon lässt sich eigentlich nichts auf den modernen Jonah umlegen. Er ist ein Abziehbild von einem amerikanischen Emporkömmling, der in der New Yorker Anwaltsszene Karriere gemacht hat und plötzlich nicht mehr so unbeteiligt ist, wie er es immer war: „Er merkte, dass er eine grundlegende Fähigkeit verlor – dass sie ihm abhandenkam: die Fähigkeit, wegzusehen.“ Das ist die Basis für all die Veränderungen in Jonahs Leben.

Das Buch Jonah hat gute und weniger gute Stellen. Oftmals ist es sehr verwirrend und abgedreht, weil es stilistisch und inhaltlich die Orientierungslosigkeit des Protagonisten spiegelt. Das ist beim Lesen sehr anstrengend und herausfordernd. Dann wieder zeichnet der Autor seinen Helden sehr weich, zeigt ihn verletzlich und verloren. Auch Judith bekommt eine eigene Perspektive, die vielleicht nicht ganz konsequent durchgezogen ist, aber durchaus ihr Gewicht hat. Insgesamt ist dieser Debütroman ein ganz eigenes Kaliber: originell und einzigartig, gehaltvoll und intensiv, abstrus und unerklärlich. Auf jeden Fall ein ganz besonderes Erlebnis.

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Das Buch Jonah von Joshua Max Feldman ist erschienen im C. Bertelsmann Verlag (ISBN 978-3-570-10203-9, 400 Seiten, 19,99 Euro).

0 Comments to “Joshua Max Feldman: Das Buch Jonah”

      1. Unser Lehrer hat uns das Buch über die freien Tage aufgegeben. Er meinte, er möchte sich dazu erstmal nicht äußern. Unser Religionslehrer ist nämlich ein Anhänger des *bildeteureeigenesmeinungundddannkönnenwirdiskutieren* 😀
        🙂 ~Audrey

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        1. Mariki Author

          Haha! Berichtest mir dann von der Diskussion? Würde mich echt interessieren. Mir sind auch die Parallelen zur Bibel nicht ganz klar. Hast es schon ausgelesen?

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