Die Mama wird’s schon richten
“Wie toll wäre es, wenn Mutterschaft wieder normal wäre? Es nervt, dass alles, was mit ihr zu tun hat, emotional und moralisch so extrem aufgeladen ist. Jeder Hans und Franz weiß es besser als die Mutter, und statt einfach mal die Klappe zu halten, posaunen alle ihre Meinung ungefragt heraus, nie ohne vor Spätfolgen durch mütterliche (Fehl-)Entscheidungen zu warnen.” Sagt eine, die es wissen muss: Rike Drust. Die erfolgreiche Werbetexterin hat die Gesamtausgabe all ihrer Muttergefühle zu Papier gebracht – und zwar auf offene, ehrliche und witzige Weise. Als ihr Sohn Oskar zur Welt kam, war sie überrascht von der Bandbreite der Emotionen, die auf sie einstürmten, denn nicht alle davon waren positiv. Wenn ein Kind geboren wird, soll gemäß den Erwartungen Friede, Freude, Eierkuchen herrschen bei der frischgebackenen Mutter. Oft ist es jedoch nicht so, Schlafmangel und Ratlosigkeit mischen sich mit dem Glück und der Liebe. Oder das Glück und die Liebe sind noch gar nicht da. Rike Drust suchte zur Lichtung des Gefühlschaos ratgebende Bücher, fand aber keine, die das Tabuthema Mutterschaft schonungslos behandelten. Also beschloss sie: So ein Buch muss sie selbst schreiben.
Klar ist, dass Rike Drusts Muttergefühle. Gesamtausgabe dringend nötig war. Klar ist auch, dass es sich bei diesen Gefühlen um die der Autorin handelt, weshalb das Buch sehr subjektiv ist. Ratgeber ist das keiner. Und das ist auch gut so! Denn Rike Drust gibt Einblick in das Leben mit Kind und erzählt einfach frei Schnauze, wie es eben ist, wenn da plötzlich ein hilfloses, abhängiges Menschlein rund um die Uhr versorgt werden muss. Sie berichtet, wie es sich anfühlt, wenn der Sohn etwas so Tolles macht, dass man vor Stolz ohnmächtig werden möchte, und wie schwierig es ist, Mamasein und berufliche Erfüllung zu vereinen – und dabei auch noch eine liebevolle Ehefrau zu bleiben.
Ich habe aus ganz persönlichen Gründen zu diesem Buch gegriffen (und wegen der schwärmerischen Rezension der Bibliophilin): wegen meiner eigenen Muttergefühle. Mein Sohn ist etwa so alt wie Rike Drusts Oskar zum Zeitpunkt des Schreibens. Und ich erkenne natürlich viele Situationen wieder, zum Beispiel: “Früher konnte ich mir nicht vorstellen, dass man mit einer Zahnbürste in der Hand so unglücklich hinfallen kann, dass sie durch die Nase direkt ins Hirn sticht. Heute ist das eine meiner leichtesten Übungen.” Ich muss sogar ein paar Mal laut lachen – und das ist etwas, das mir beim Lesen eigentlich nie passiert. Aber man merkt, dass Rike Drust Texterin ist und ihr Geld mit Worten verdient. “Mit der Geburt bekam ich nämlich nicht nur ein Kind, sondern auch eine Eintrittskarte in eine neue Welt, in der meine Hemmschwelle für Peinlichkeiten niedriger ist als die eines Nacktradlers” bringt mich zum Schmunzeln, genau wie: “Und nach der Geburt fing ich an, mit meinem Sohn zu sprechen, und zwar bereits in einer Phase, in der zwischen seinen Ohren so viel los war wie im Bücherregal von Claudia Effenberg.” Das Buch schenkt mir nicht nur neue Lachfalten, sondern auch eine andere Sicht auf mich selbst: Ich merke, dass ich eine viel geduldigere und entspanntere Mutter bin, als ich bisher dachte. Und jedem, der – wie ich auch stellenweise – sich manchmal denkt, dass die Autorin auf hohem Niveau jammert, nimmt sie geschickt den Wind aus den Segeln, indem sie genau das vorschlägt: mit den Augen zu rollen und sich über sie aufzuregen. Letztlich ist dieses Buch wie das Gespräch mit einer guten Freundin, die ebenfalls Mutter ist und die den wohltuenden Satz sagt: “Ach Gott, ja, das ist bei uns genauso.”
Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge: nun ja. Immerhin ist das Cover nicht kitschig.
… fürs Hirn: viele lustige Situationen. Und vieles, mit dem man nicht übereinstimmen muss. Fürs Gehirn also einfach nur: Entspann dich mal!
… fürs Herz: die Liebe und das Glück, wenn sie dann doch noch kommen (oder von Sekunde 1 da waren).
… fürs Gedächtnis: das Gefühl, nicht allein zu sein mit all den Emotionen, die das Muttersein mit sich bringt.
Ich habe das Buch mittlerweile auch gelesen und kann deinen Ausführungen nur zustimmen.
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