“Alle guten Geschichten beginnen an einem Montag”
Lesen sollte man dieses Buch aber auch von Dienstag bis Sonntag. Es ist nämlich richtig gut. In der Geschichte “Der Teufel kommt nach Orechowo” steht der junge Soldat Leksi vor einer verflucht schwierigen Entscheidung: “Er war im Begriff, einer alten Frau einen Genickschuss zu geben, zuzuschauen, wie sie vornüber in den Schnee fiel, und sie dann zu begraben.” In “Merde bringt Glück” dagegen geht es um Homosexualität und Aids – eine berührende und traurige Story. Herausragend und lesenswert ist auch die Geschichte “Das Zwinkern des Löwen”. Mit dem Kurzgeschichtenband Alles auf Anfang beweist David Benioff seine Vielseitigkeit. Dieses Buch veröffentlichte er bereits 2004, vor seinem großen (und verdienten!) Erfolg Stadt der Diebe.
Es mag abgedroschen klingen, aber David Benioff schreibt mit Herz und Hirn. Er denkt sich ungemein originelle, amüsante, tragische Geschichten aus und gibt ihnen allen eine intelligente, ironische Spitze. Außer Zweifel steht zudem: David Benioff kann schreiben. Sehr gut sogar. “Die schlechten Tage kamen wie Churchills schwarze Hunde, sie lauerten im Flur vor meinem Zimmer, krallten sich im Teppich fest und nagten an den Rändern” ist ein Satz, der mir besonders gut gefällt, ebenso wie: “Wenn du in deiner Wohnung sitzt, spätabends, allein, seltsame Geräusche durch die Flure hallen, dich aufschrecken, und wenn du dann auf die andere Straßenseite blickst, durch das Fenster in die Wohnung eines Fremden, die nur vom Schein des Fernsehers erhellt wird, und dieses fremde Zimmer in ein kühles und gespenstisches Blau getaucht ist – genau diese Farbe hatten die Augen meines Vaters.” Es macht Spaß, diese wunderbaren Geschichten zu lesen – inhaltlich wie stilistisch. David Benioff überzeugt mich mit Witz und Charme (“Die Franzosen sind die Huren Europas, aber sie machen gute Weine”), mit ausgewogenen Formulierungen und fesselnden, tollen Ideen. Das Schräge daran: Ich mag ja eigentlich keine Kurzgeschichten. Aber ich mag diesen Autor. Ich würde eventuell wieder ein Buch von ihm lesen – das ist das größte Kompliment, das ich ihm machen kann.