Der Bericht einer Reise, die niemals stattgefunden hat
Tilman Rammstedt ist also einer, der Preise abräumt und skurrile Geschichten schreibt. In umgekehrter Reihenfolge natürlich. Skurril mutet auch Der Kaiser von China an: Keith erzählt von seinem Großvater, von Franziska, seiner “Großmutter”, in die er sich selbst verliebt hat, und von einer Reise nach China, die niemand jemals angetreten hat. Denn Keith hat kein Interesse an dieser Reise, die sein Großvater sich wünscht, und eigentlich auch kein Interesse an seinem Großvater. Dennoch beherrscht dieser sein Leben – ob Keith es will oder nicht.
Der Kaiser von China ist ein Roman über das, was nie gewesen ist, über das, was hätte sein können, in einer anderen, womöglich – man glaubt es kaum – besseren Welt. Nämlich in einer, in der wir uns um unsere Verwandten kümmern und mit der Erfüllung ihrer Wünsche nicht warten, bis es zu spät ist. Das symbolisieren die zahlreichen fantasievollen und ausführlichen Briefe, die Keith über diese Reise nach China schreibt, die nicht stattgefunden hat. “Wie unendlich gemein, dem eigenen Großvater diesen Wunsch abzuschlagen”, habe ich zuerst gedacht – bis sich dann herausgestellt hat, dass dieser Großvater gar nicht so liebenswert war wie einfach mal angenommen.
Tilman Rammstedt erzählt sehr raffiniert davon, wie wir uns so oft verhalten: Wir nehmen die Menschen in unserer Umgebung für selbstverständlich, wir hören ihnen nicht zu, wie verschieben alles auf morgen, weil wir ja immer denken, dass es ein Morgen geben wird. Dieser Aspekt des Romans gefällt mir sehr gut. Weniger zufrieden bin ich mit der Verwirrtheit des Protagonisten, mit der Konstruiertheit der Briefe und dieser Herausgerissenheit von Keiths Perspektive. Sehr verplant, der Junge! Trotzdem sehr angenehm zu lesen, Rammstedts überraschende Einfälle lassen mehr als einmal schmunzeln.
Christoph schrieb am 14. Juni 2009 @ 16:17
Ich musste schon beim Namen der Hauptfigur herzlich lachen. Keith Stapperpfennig – das finde ich sensationell.