Bücherwurmloch

Emmanuelle Fournier-Lorentz: Villa Royale

„Gib nie etwas zu. Dein Geheimnis bleibt dein Geheimnis. Wenn du schweigst, kannst du eine ganze Armee in die Knie zwingen. Sag nichts. Lüg.“

Das ist einer der Ratschläge, die Palma von ihrer Mutter bekommt. Seit dem Suizid des Vaters ist die restliche Familie – Palma, Victor, Charles und die Mutter – auf einer Irrfahrt durch Frankreich unterwegs, spätestens alle drei Monate ziehen sie um, an entlegene, langweilige, ungemütliche Orte. Den Kindern gelingt es lange nicht, sich einen Reim auf die eigenen Lebensumstände zu machen, die Mutter redet nie mit ihnen, sie könnten eine eingeschworene kleine Truppe sein, stattdessen gibt es eher Streit, Missverständnisse und Schweigen. Bis die drei nach und nach herausfinden, was bzw. wer den Vater dazu gebracht hat, sich mithilfe einer Insulinspritze umzubringen, und Rache nehmen wollen.

„Villa Royale“ hat mir nicht so gut gefallen, wie ich am Anfang gehofft habe: Während ich das erste Drittel faszinierend und die Ausgangsidee gut fand, hat die Autorin mich im letzten Drittel verloren, das Ende fand ich auch enttäuschend. Die Dialoge wirken stellenweise fast klamaukig, und obwohl die drei Kinder und die Mutter niemanden haben als einander, herrscht zwischen ihnen eine seltsame Distanziertheit, es gibt auch kaum Gespräche zwischen Ich-Erzählerin Palma und der Mutter, die schwer greifbar bleibt. Am Schluss werden die Ereignisse nicht mehr chronologisch erzählt, es gibt plötzlich Zeitsprünge, den Lesenden wird gesagt, was sie in der Zwischenzeit alles verpasst haben. Gelesen habe ich es, weil ich im Zuge von „Die Wut, die bleibt“ sehr oft über das literarische Narrativ des Vaters, der sich entzieht, gesprochen habe: Auch in diesem Roman ist das normal. Er lässt seine Frau und sdieeine Kinder im Stich, nur seinetwegen schrammen sie am Existenzlimit entlang, und trotzdem haben wir das Gefühl: Die schaffen das schon. Die haben ja noch ihre Mutter. Dabei schaffen sie in Wahrheit überhaupt nichts.

„Menschen sterben, ohne jemals ihre Geheimnisse zu enthüllen.“

(aus dem Französischen übersetzt von Sula Textor)

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