Bücherwurmloch

Milena Michiko Flašar: Oben Erde, unten Himmel

„Wieder war ein Tag vergangen, und ich war niemandem zur Last gefallen“

„Und wäre es nicht das Normalste der Welt, mich nach allem, was mir widerfahren war, in den Schlaf zu weinen?“

Suzu lebt in einer japanischen Großstadt, und sie lebt da sehr allein. Außer zu ihrem Hamster hat sie kaum Kontakt zu anderen Lebewesen. Als sie ihren Job verliert und von einem Typen geghostet wird, versinkt sie vollkommen in der Einsamkeit. Aber sie muss freilich Geld verdienen, und so macht sie sich auf die Suche nach einer neuen Einkommensquelle. Was sie findet, überrascht sie selbst: Fortan arbeitet Suzu bei einer Firma, die jene Wohnungen reinigt, in denen jemand verstorben ist. Meistens handelt es sich bei den Todesfällen um Kodokushi, das bedeutet, dass jemand schon länger tot war, aber nicht vermisst wurde – die Wohnungen sind also oft in einem nicht gerade angenehmen Zustand. Suzu und ihre Kolleg:innen gehen damit aber sehr respektvoll um, sie ekeln sich nicht. Besonders freundlich und entgegenkommend ist der Chef, der es beispielsweise ermöglicht, dass Suzu sich um Takada kümmert, als dieser schwer erkrankt. Er zieht ihnen das nicht von der Arbeitszeit ab und macht auch keinen Druck. Überhaupt entwickelt sich diese Kollegschaft zu einer Art Ersatzfamilie, in der Suzu sich wohlfühlt.

Milena Michiko Flašar erzählt gewohnt einfühlsam und zärtlich von Figuren, die ein bisschen angedetscht sind, sich beinahe ungesehen durch den gesellschaftlichen Raum bewegen, die voller Sehnsucht sind, aber auch ein wenig lethargisch. Ihre Beschreibungen des japanischen Lebens sind immer sehr lesenswert, ihre Romane sind ruhig, unaufgeregt, voll leiser Zwischentöne und weiser Einsichten. In diesem Fall geht es notgedrungen viel um den Tod und das, was wir hinterlassen, um diese spezielle Traurigkeit, wenn ein Leben unbemerkt endet, weil man niemandem wichtig war. Was macht es mit einer Frau, die selbst allein ist und permanent mit Kodokushi konfrontiert wird? Ich bin der Geschichte von Suzu und den anderen gern gefolgt, das Buch hatte fast eine meditative Wirkung auf mich, und ich mag es euch auf jeden Fall empfehlen. 

One Comment to “Milena Michiko Flašar: Oben Erde, unten Himmel”

  1. Wow, liebe Mareike

    Du gibst ja gerade Gas. Bei den vielen Rezensionen komme ich kaum hinterher. “Oben Erde, unten Himmel” möchte ich aber auch unbedingt lesen, da mir “Ich nannte ihn Krawatte” so gut gefallen hat.

    Schön, dass du es auch empfehlen kannst.

    Alles Liebe
    Livia

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