Bücherwurmloch

Lillian Fishman: Große Gefallen

„Ich glaube, zuerst muss ich bekommen, was ich will, und dann kann ich erklären, warum ich es wollte und ob es gut ist“
Eve lebt mit ihrer Partnerin Romi in Brooklyn und stellt eines Tages Nacktfotos von sich auf eine Internetseite. Mit Olivia, die diese Fotos kommentiert, trifft sie sich in einem Café – und Olivia, die schüchtern herumstammelt, lädt Eve ein, sich mit ihr und einem Mann namens Nathan zu verabreden. Eve ist neugierig und willigt ein. Von da an kommt es zu regelmäßigen Sexdates, bei denen nur Eve und Nathan miteinander schlafen, oder besser: bei denen Nathan Eve zur völligen Glückseligkeit vögelt. Olivia sieht zu oder geht in ein anderes Zimmer, manchmal ist sie bei diesen Treffen gar nicht dabei. Sie arbeitet auch für Nathan und ist völlig besessen von ihm, auch Eve verfällt ihm zusehends:

„Sein Wissen und seine Instinkte waren in vollkommenem Einklang. War er ein Genie und unsere hart erkämpfte Vorstellung von weiblicher Genialität nur eine vorübergehende Erscheinung?“

Großartig an diesem Buch ist, dass Lillian Fishman, deren Debüt in den USA heiß ersehnt und hoch gehandelt wurde, unverblümt und frei von Sex und Begehren erzählt, durch die Augen einer queeren Frau. Weniger großartig ist die Figurenzeichnung des Mannes, der als Magnet dargestellt wird, als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Geschichte, alles ist auf ihn und seine Aufmerksamkeit ausgerichtet. Er weiß, wie er mit Frauen reden muss, wie er sie zu berühren hat, er weiß mehr über sie als die Frauen selbst, und es hat mich überrascht, dass der Plot letztlich das – in meinen Augen eigentlich überholte – Narrativ reproduziert: dass Frauen nichts anderes wollen, als einen Mann anzubeten, zu vergöttern, ihm zu Gefallen zu sein, dass sie um ihn konkurrieren, eifersüchtig aufeinander sind. Ja, Eve kommt gegen Ende zur Einsicht, dass vielleicht nicht alles so rosig war, wie es aussah, aber selbst diese Wendung – die Frau erkennt das wahre Gesicht des Mannes – habe ich gefühlt schon tausendmal gelesen. In ihrer blinden Hingewandtheit zu Nathan hat Eve ab und zu lichte Momente mit Gedanken wie diesen:

„Man hatte uns Frauen eingeredet, Schönheit sei verdächtig, Eitelkeit eine Sünde und das Begehren räuberisch, und nun glaubten wir, wir wären am attraktivsten, wenn wir uns schüchtern und nachgiebig zeigten.“

Große Gefallen hat mich also beeindruckt und enttäuscht zugleich. Und es beschäftigt mich, dass auch junge weibliche Autorinnen sich an patriarchalen Denkmustern abarbeiten, statt Neues zu kreieren. Am besten lest ihr es selbst, um euch ein Bild zu machen.

Große Gefallen von Lillian Fishman ist erschienen bei Atlantik.

 

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