Bücherwurmloch

Nicole Flattery: Zeig ihnen, wie man Spaß hat

„Das war in diesem Leben nun mal der Deal: Sosehr man auch versuchte, es zu vermeiden, irgendwann musste man doch reden“

„Ich hatte gehofft, in dieser Lebensphase längst ein anderer Mensch zu sein, dabei wurde ich in Wirklichkeit immer weniger jemand anders und immer mehr ich selbst. Ich fand das beunruhigend.“ Kein Wunder, denn dieses „ich selbst“, das die Frauen in Nicole Flatterys Geschichten sind, ist unergründlich. Sie sind Mädchen, die sich zum ersten Mal verlieben. Sie sind Frauen, die längst nicht mehr an die Liebe glauben. Sie haben Affären, sie haben Beziehungen, aber sie fühlen sich darin nicht erkannt, nicht gesehen. Mit Männern treten sie durchaus in Kontakt, doch alles daran bleibt schal. Jede Short Story hat eine Frau als Protagonistin, sie sind alle unterschiedlich und vielleicht doch dieselbe. Sie sind nicht in ihrer Mitte, lassen sich seltsam passiv zu Dingen zwingen, die sie nicht tun wollen, wünschen sich, viel zu empfinden, und fühlen doch in den wichtigsten Momenten nichts.

Nicole Flattery begeistert mit großartigen Sätzen, die aus den Geschichten herausleuchten. Schöne Vergleiche, treffsichere Metaphern, fein austarierter Stil.

„Mit siebzig, nach mehreren schweren Enttäuschungen, von denen die erste meine Mutter war und die zweite ich, starb mein Vater.“

Etwas wirr sind die Storys zum Teil, nicht immer kann man den Erzählerinnen folgen, sie verstehen, nachvollziehen, was sie tun, und manchmal tun sie auch einfach herzlich wenig. Trotzdem ist da etwas an den Geschichten, das aufhorchen lässt, es liegt an der Atmosphäre, der Stimmung. Lange habe ich nach der Klammer gesucht, die alles zusammenhält, nach Gemeinsamkeiten, zuerst dachte ich, es sei die Passivität der Frauen, dann, dass sie nicht wissen, wer sie sind, was sie wollen, dass sie so verloren sind in sich selbst, letztlich habe ich es nicht gefunden, es lässt sich nicht greifen. Nachdem die Abtreibungsgeschichte in der Mitte des Buchs mich fast in den Wahnsinn getrieben hat, hätte ich beinahe aufgehört zu lesen – doch dann haben mir die Storys am Ende viel besser gefallen als jene zu Beginn. Vielleicht ist es so, dass man sich einlassen muss auf das Untergründliche, das die Geschichten, die Figuren ausmacht, dass man aufhören muss, zu versuchen, ihr Rätsel zu lösen. Es ist unlösbar.

Lieblingszitat:
„Ich lächelte. Ich wusste, mit diesem Lächeln war der Gipfel meiner Begeisterung für den Abend erreicht, und am nächsten Morgen würde ich weniger angenehm zugedröhnt aufwachen, dafür mit einem neuen Hass im Herzen.“

Zeig ihnen, wie man Spaß hat von Nicole Flattery ist erschienen bei Hanser Berlin.

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