Außer Konkurrenz

Stefan Beuse: Das Buch der Wunder

„Stell dir vor, wir würden da leben. Dann könnten wir alles sehen. Die ganze Wahrheit“
Mit diesem Buch ist mir etwas passiert, das ich nicht erwartet habe und nur schwer erklären kann. Ich hab mir Zitate darin markiert, überraschend viele Zitate, wundervolle, tiefgehende Sätze, die ich mir aufgeschrieben habe, um sie zu behalten, in die ich mich einwickeln möchte wie in einen selbstgestrickten, wärmenden Schal, Sätze wie Goldnuggets in einem Fluss. Aber wenn ihr mich fragtet: „Mareike, das Buch der Wunder, hat dir das gefallen?“, würde ich sagen: Nein. Und das ist ein bisschen absurd, nicht wahr, wie ist das möglich?

Es war mir zu verwirrend, zu gewollt, zu viel – gut gedacht, aber unsauber ausgeführt. Ich habe mich in die Sprache verliebt, ich habe mich in die erwähnten goldenen Sätze verliebt, doch die Geschichte selbst, der Inhalt, hat mich den Kopf schütteln und die Augen rollen lassen. Zuerst sind da die Kinder, mit ihren Eigenheiten, mit ihrem Vater, der Selbstmord begeht, und ja, da bin ich noch dabei, da nicke ich noch, das ist voll kindlicher Poesie, märchenhaft. Doch dann wird es merkwürdig und immer merkwürdiger, einen Ort namens Rachel gibt es, eine Art Wohnwagensiedlung, einen See, der ein Spiegel ist oder vielleicht auch nicht, in dem man sich selbst sieht und eventuell verliert. Die Sprünge zwischen den Zeiten kann ich nicht nachvollziehen, die zwischen den Figuren auch nicht, und während ich noch verstehe, dass man jemanden, der stirbt, in einer anderen Welt sucht, bleibt mir ein Rätsel, warum das nicht gelingt.

Sie werden erwachsen, natürlich, und die Wunder von damals sind nur Erinnerungen. Nebenfiguren treten auf, die wenig ausgearbeitet sind, alle Kapitel schmal, sparsam, und ich hoffe weiterhin, ich denke: Vielleicht wird das Ruder noch herumgerissen. Aber nein, am Ende falle ich hinaus aus dem Buch, finde die Entwicklung klischeehaft und abgeschmackt. Die Werbewelt, in der ich mich seit vielen Jahren bewege, in der ich arbeite, wird derart oberflächlich dargestellt, dass ich mich frage, ob das eine Persiflage sein soll. Pudding? Ein gläsernes Haus voll Licht, im Ernst?

Und doch. Diese Sätze! Ich weiß nicht, wie das zusammengeht. Dass ein Buch solche Zitate enthalten kann, die mich zutiefst berühren, und mich trotzdem derart enttäuscht zurücklässt. Aber nicht alles im Leben muss erklärt werden können, manchmal sind die Dinge einfach so, wie sie sind.

Ich bin zum Mond geflogen, zusammen mit den Träumen und Hoffnungen der gesamten Menschheit. Und alles, was ich dort gefunden habe, waren kalte Felsen. Können Sie sich vorstellen, was das für ein Gefühl ist?

Das Buch der Wunder von Stefan Beuse ist erschienen im mairisch Verlag (ISBN 978-3-938539-44-6, 224 Seiten, 18 Euro).

 

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