Für Gourmets: 5 Sterne

Angela Bajorek: Wer fast nichts braucht, hat alles – Janosch: Die Biographie

Janosch„Ich habe die Kinderwelt nie verlassen und die Erwachsenenwelt nie erreicht“

„Ich weiß so gut wie nichts, Bildung: null. Allgemein gutes Benehmen, Essen mit Besteck, die Hauptstadt von Estland – alles null. Ich fiel bisher durch jede Prüfung, das ist echt wahr, heiliger Schwur.“

Umgekehrt weiß aber jedes Kind, wer Janosch ist. Im gesamten deutschsprachigen Raum ist er bekannt für seine wunderbaren Bücher, für den kleinen Tiger und den kleinen Bären. Aber was ist das eigentlich für ein Mann, der diese fantasievollen, stets leicht schrägen Geschichten erdacht hat? Was ist seine eigene Geschichte, wie war sein Leben? Janosch wurde 1931 als Horst Eckert in jenem Zwischengebiet geboren, in dem Polnisch, Deutsch und Schlesisch zu hören war, und der Vater, der zum Zeitpunkt der Geburt im Gefängnis saß, suchte einen möglichst NSDAP-tauglichen Namen aus, denn eine polnische Herkunft war zu jener Zeit schon nicht mehr ratsam. Janosch litt unter diesem Namen und schuf ihn selbst ab, benannte sich um, als er es konnte. Er litt auch an seinen Eltern, an diesen zwei Menschen, die ihn schlugen, traten, beschimpften und bespuckten, die ihn drangsalierten und quälten. Stellt euch eine schlimme Kindheit vor, und dann noch schlimmer, dann wisst ihr, wie es Janosch erging, aber ihr wisst es nur theoretisch – es erlebt zu haben, muss die Hölle gewesen sein. Der Vater soff wie ein Loch, die Mutter wahrte den schönen Schein, verprügelte ihren Sohn jedoch so sehr, dass er mehrmals im Krankenhaus landete und auch Jahrzehnte später noch Probleme mit dem Herzen und der Lunge hatte. Allen erging es damals so, von den Eltern geschlagen zu werden, das war normal. Kein Wunder also, dass Janosch bei der ersten Gelegenheit nach dem Krieg die Flucht ergriff. Er wollte Maler werden, „hauptsächlich, um Mädels zu kriegen“, aber er scheiterte an den Kunstakademien und Galerien. Was später sein Markenzeichen werden sollte – die Ungenauigkeit, der zittrige Strich, – wurde ihm erst einmal zum Verhängnis. Aber er gab nicht auf, arbeitete wie ein Wilder, verdiente sich sein Geld durch das Entwerfen grafischer Muster, wanderte sehr früh nach Ibiza aus, als die Insel noch rau war und untouristisch, als niemand sich dafür interessierte. Er wollte sich nicht binden, das Wichtigste war ihm seine Freiheit, „schon Blumen gießen zu müssen, ist mir zu viel Zwang“. Seine traumatische Kindheit arbeitete er in Büchern auf, trank sich fast zu Tode in der Zeit, in der er sie schrieb. Die Romane wurden veröffentlicht, doch es sollte noch dauern, bis der Name Janosch ein Begriff für jedes Kind wurde:

„Mit dem fulminanten Erfolg des Bestsellers „Oh, wie schön ist Panama“ schaffte Janosch 1978 seinen endgültigen Durchbruch – zwanzig Jahre nach Erscheinen seines ersten Buches. Bevor Janosch diese Geschichte schrieb, war Panama kaum jemandem ein Begriff. Er selbst kam drauf, als er im Radio eine Reportage über Manuel Noriega hörte, den berüchtigten südamerikanischen Machthaber und Drogenboss. Das Land, das von Noriega aufgrund gefälschter Wahlen regiert wurde, schien Janosch ein Symbol für absolute Anarchie – sein Panama als Traumland hat jedoch mit dem realen Staat nicht das Geringste zu tun.“

Und dann? Janosch zeichnete, schrieb, dachte, dichtete, lag in der Hängematte. Er trieb die Schrecken der Kindheit aus sich hinaus, aber noch heute träumt er nachts davon, erstickt beinahe daran. Über 80 Jahre ist er alt, er hat eine Frau gefunden und auch mit Schlesien seinen Frieden geschlossen. Reich geworden ist er trotz der Tigerente nicht, weil er über den Tisch gezogen wurde, weil er zu weich war für den Streit rund um Lizenzen und Rechte. Aber das Gute ist: Glücklich ist er trotzdem. Weil er, wie er sagt, fast nichts braucht, und deswegen alles hat.

Ich bin kein Janosch-Kind. Theoretisch wäre ich, geboren in den Achtzigern, im richtigen Alter, aber an meiner Kindheit ging die Tigerente vorbei. Entdeckt habe ich Oh, wie schön ist Panama erst, als mein Sohn es von einer meiner besten Freundinnen geschenkt bekam. Freilich wusste ich, dass es Janosch und seine Geschichten gab, nur gelesen hatte ich sie nicht. Dadurch konnte ich sie gemeinsam mit meinen Kindern entdecken – und war tief beeindruckt von der schelmischen, direkten Art, von den aneckenden, liebenswerten Figuren und davon, dass Janosch Kindern etwas zutraut, sie nicht durch verschleiernde Märchen beschützt vor der Welt. Als ich seine Biografie in der Bücherei stehen sah, hab ich zugegriffen, aus Interesse an dem Menschen hinter der Tigerente. Mit dreizehn hatte ich ein großes Faible für Biografien, hab sie reihenweise gelesen – und mit dem Buch über Janosch hab ich mich wieder erinnert, warum: Gewisse Persönlichkeiten üben eine große Faszination aus, und es macht Spaß, einzutauchen in die einzige Geschichte, die nicht erfunden ist – jene ihres Lebens. Angela Bajorek, die sich ursprünglich an der Universität mit Janoschs Werken beschäftigt hat, hat über viele Jahre hinweg langsam Zugang zu dem Eigenbrötler gefunden und erreicht, dass er sich ihr geöffnet hat. Man merkt ihrem Buch eine große Zuneigung zu Janosch an, viel Einfühlungsvermögen und den Willen, ihn in all seinen Facetten zu zeigen – den guten wie den schlechten. Das ist ihr gelungen. Dies ist ein ausgezeichnetes Porträt eines lebensklugen Mannes.

Wer fast nichts braucht, hat alles. Janosch, die Biographie von Angela Bajorek ist erschienen im Ullstein Verlag (ISBN 9783550081255, 320 Seiten, 22 Euro).

2 Comments to “Angela Bajorek: Wer fast nichts braucht, hat alles – Janosch: Die Biographie”

  1. Begeisterte Grüße von einem ganz großen Janosch-Fan. Meine beiden Jungs sind mit den Büchern und besonders den grandiosen Hörspielkassetten von Janosch groß geworden. Undenkbar für sie, abends einzuschlafen ohne den Mäusesheriff oder Hannes Strohkopp und den unsichtbaren Indianer. Janosch hat schließlich auch mein Leben nachhaltig verändert.

    Reply

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.