Gut und sättigend: 3 Sterne

Ian McEwan: Honig

IMG_9370Spionage im England der Siebziger
Serena ist jung, blond, überaus hübsch und ein bisschen langweilig – aber nur nach außen hin. In Wahrheit arbeitet sie nach einem Mathematikstudium, das sie mit Ach und Krach geschafft hat, beim britischen Geheimdienst MI15. Dorthin gebracht hat sie ein älterer Mann – ihr Professor und Geliebter, der selbst ein Spion war. In den Siebzigern ist es durchaus spannend, Mitglied des Geheimdienstes zu sein – allerdings nur als Mann. Serena ist dort ein kleines Mäuschen, das im Archiv Akten sortiert, schlecht bezahlt wird und absolut keine Wichtigkeit hat. Umso mehr freut sie sich, als sie für die Mission „Honig“ ausgewählt wird: Sie soll einen jungen Autor umgarnen und finanzieren. Es dauert nicht lange, und Serena verliebt sich in den Autor. Das doppelte Spiel, das sie spielt, wird ihr zum Verhängnis – aber auf völlig unerwartete Weise …

Ian McEwan ist einer der Großen. Zahlreiche Weltbestseller gehen auf sein Konto, einer davon, Abbitte, wurde mit Keira Knightley verfilmt. Er ist, so heißt es, ein Garant für gute Unterhaltung. Aus diesem Grund habe ich zu diesem Roman, der schon eine Weile in meinem Regal stand, gegriffen, denn Ian McEwan musste mich retten. Sehr, sehr dringend wollte ich gerettet werde, nachdem ich ELF schlechte Bücher gelesen hatte, über die ich mich hier, hier und hier echauffiert habe. Dann also Honig, und er hat es geschafft: Ian McEwan wurde seiner Aufgabe gerecht und riss mich aus meiner Leselethargie. Dieses Buch war dafür genau das richtige: leicht, aber nicht seicht.

Spannend ist Honig nicht unbedingt, zwischendurch auch ein wenig langweilig, aber das macht das kann man ja überblättern, und das grandiose Finale macht es wieder wett. Tatsächlich muss ich das Ende am meisten an diesem Roman loben, weil es ganz einfach das Beste daran ist. Honig bietet eine originelle, gut recherchierte und perfekt aufgeblätterte Story. Ian McEwan vermittelt mir das Gefühl, ein routinierter Schreiberling zu sein, der solche Geschichten aus dem Ärmel schüttelt, mich dann an der Hand nimmt und hindurch führt. Spaß macht es außerdem, in die Siebzigerjahre einzutauchen, und es war ein kluger Schachzug des Autors, als Protagonistin eine junge Frau zu wählen, die in einer geheimnisumwitterten Männerdomäne unterwegs ist: Das gibt dem Buch einen ganz eigenen, interessanten Drive, denn aus dieser Ecke hat man den MI16 noch nie gesehen. Falls also jemand von euch auch gerade eine Leseflaute erlebt und einen Rettungsring braucht oder sich einfach nur gut unterhalten lassen möchte: Nehmt einen Löffel Honig.

Honig von Ian McEwan ist erschienen im Diogenes Verlag (ISBN 978-3-257-06874-0, 464 Seiten, 22,90 Euro).

3 Comments to “Ian McEwan: Honig”

  1. Hallo Mareike,

    Sehr schön geschrieben und spiegelt meine damaligen Leseeindrücke wieder. Das Ende war sehr gelungen und es gab kaum Logiklöcher. Freut mich, wenn es deine Flaute durchbrechen konnte.

    Liebe Grüße

    Reply

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