„Es gibt viele, die nicht den Menschen bekommen, den sie lieben. Und dagegen lässt sich nur schwer etwas tun“
Alma lebt allein in einem kleinen Haus auf dem Land irgendwo in Norwegen. Sie ist geschieden, ihre Kinder sind erwachsen und leben ihr eigenes Leben. Sie arbeitet als Künstlerin, ist bekannt für ihre prachtvollen Wandteppiche und Fahnen. Doch damit das Geld zum Leben reicht, muss sie die Einliegerwohnung, die zu ihrem Häuschen gehört, vermieten. Da diese nicht den modernen Standards entspricht, gibt Alma die Wohnung billig her und ohne Kaution. Mit dem polnischen Paar, das dort einzieht, will sie nichts zu tun haben. Und als der Mann wegen häuslicher Gewalt ins Gefängnis muss, hat Alma angeblich nie etwas gehört oder gesehen. Fortan lebt die polnische Frau mit ihrer kleinen Tochter in Almas Haus, und sie gehen sich alle aus dem Weg – der Kontakt beschränkt sich auf das Mindeste, es geht um die Post, ums Schneeschaufeln, um die Miete. Mit den Jahren wird der Umgang der beiden immer frostiger – bis es schließlich soweit ist, die Mietvereinbarung aufzulösen.
Vigdis Hjorth ist in Norwegen bekannt für ihre Kinderbücher, Romane, Essays und Diskussionsbeiträge. In Ein norwegisches Haus erzählt sie eine Geschichte, die ich nicht recht deuten kann. Denn ich hatte mir eine Auseinandersetzung mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus erwartet, hatte gedacht, Protagonistin Alma gerade mit ihren Mietern aneinander, weil diese Polen seien. Das spielt durchaus eine Rolle. Alma bemängelt das schlechte Norwegisch in den Briefen ihrer Mieterin, sie stört sich daran, wenn deren Verwandtschaft zu Besuch kommt und fremde Sitten mitbringt, und sie mag die Polen ganz einfach nicht. Allerdings mag Alma überhaupt niemanden. Sie ist eine miesepetrige, egozentrische, alleinstehende Frau. Und im Buch geht es vielmehr um Mietrecht, Umgangsprobleme und das allgemeine Gestalten eines friedlichen Zusammenlebens. Da gibt es kein Flüchtlingsschicksal, keine polnische Geschichte, kein Aufbrechen der Fronten, kein Annähern über die Nationalitäten hinweg. Über die Polen erfahre ich schlicht und ergreifend nichts. Und ihr Polnischsein hat derart wenig Einfluss auf den Roman, sie könnten auch Norweger sein.
All dies führt dazu, dass Ein norwegisches Haus mich unglaublich langweilt. Denn tatsächlich ist meist das einzig Interessante Almas Arbeit – wie sie Geschichten stickt und eigenbrötlerisch vor sich hin werkt. Auch am Ende kommt kein aufrüttelnder Knall, das Buch schließt ebenso ruhig und fast schon öde, wie es begonnen hat. Da wäre viel mehr Zündstoff und Potenzial für echte Konflikte und größere Gefühle als Ärger über die Miethöhe enthalten gewesen. Dieses gesamte Potenzial hat Vigdis Hjorth verschenkt – und das im Klappentext anklingende Thema hat sie in meinen Augen komplett verfehlt.
Ein norwegisches Haus von Vigdis Hjorth ist erschienen im Osburg Verlag (ISBN 9783955100919, 235 Seiten, 20 Euro).