Die Geräuschkulisse der Welt
Frida ist richtig gut darin, Lärm zu machen. Sie kann aber auch die leisen Töne. Denn sie ist Geräuschemacherin für Filme und Serien, eine der Besten ihres Fachs. Deshalb nimmt auch der junge Jonas zu ihr Kontakt auf, dem der gesamte Ton für seinen Film abhandengekommen ist. Er hat ihn in Japan gedreht und schickt Frida dorthin. Sie soll alle Drehorte besuchen und die Geräusche dort aufnehmen. Frida freut sich auf die Herausforderung in dem fremden Land, merkt jedoch schnell, dass die Tonaufnahmen unbrauchbar sind: Alles ist unterlegt von einem merkwürdigen Störgeräusch. Jonas’ Freund Takeshi kommt Frida zu Hilfe. Er zieht sie magisch an, und sie landen miteinander im Bett. Was an und für sich nicht schlimm wäre, würde nicht Fridas langjähriger Partner Robert zuhause auf sie warten. Doch der Wirrwarr der Gefühle ist harmlos angesichts der wahren Katastrophe, die auf Japan zukommt …
In ihrem dritten Buch fordert die deutsche Autorin Lucy Fricke ihre Leser auf, genau hinzuhören. Ihre Protagonistin Frida ist Geräuschemacherin, vertont Horrorfilme und zeigt bei Kika, wie das geht. Sie ist sympathisch, klug und absolut langweilig. Ihr Beruf ist das Spannendste an Frida, ansonsten führt sie eine fade, gemütliche Beziehung, in der eventuell wegen der Steuer geheiratet werden soll, hat Probleme mit dem Finanzamt und Freunde, die sich für was Besseres halten. Die Auszeit in Japan kommt ihr gerade recht, und es ist nicht verwunderlich, dass sie sich dort sofort in eine Affäre stürzt. Takeshi ist jung, undurchschaubar, fremd, attraktiv. Doch schnell verwickelt Frida sich in ein Chaos, dem sie nicht entkommen kann, weil sie so passiv ist. Und da sie selbst keine Entscheidungen trifft, werden sie ihr aufgezwungen.
Frida ist eine Frau, die dem Leben nur zusieht, statt es aktiv zu gestalten. Selbst als sie in Japan ist, fernab vom Alltag, lässt sie sich von einem anderen leiten, sie geht nie voraus, sie folgt nur. Selbst am Höhepunkt des Konflikts im Roman schweigt sie und kapselt sich ab. Lucy Fricke kann gut schreiben, das steht außer Frage. Ganz subjektiv hätte ich mir aber gewünscht, dass das Feuer aus Frida bricht und sie wenigstens einmal kurz die Distanz aufgibt, die das ganze Buch wie ein abweisender Schild von mir abschirmt. Besonders enttäuscht bin ich vom Ende, das mir merkwürdig unglaubwürdig erscheint und das noch einmal aufzeigt, wie fremdbestimmt Frida ist. Eine gute, interessante Lektüre, die mich persönlich aber nicht vom Hocker gerissen hat.
Takeshis Haut von Lucy Fricke ist erschienen im Rowohlt Verlag (ISBN 978-3-498-02016-3, 192 Seiten, 18,95 Euro).
Noch mehr Futter:
– „Lucy Frickes neuer Roman Takeshis Haut erzählt im Manga-Stil vom Super-GAU und anderen Liebeskatastrophen. Temporeich und trashig und sehr unterhaltsam“, heißt es auf welt.de.
– „Sie schreibt fast filmisch, unsentimental, hauptsatzlastig – und lässt damit den Bildern Raum. So ist dieser Roman in erster Linie einer für Ohren und Augen, die Sprache steht weniger im Fokus“, erklärt ndr.de.
– „Lucy Fricke erzählt in ihrem Debütroman gekonnt von inneren und äußeren Erschütterungen, die ein Leben für immer verändern“, schreibt Sophie von Literaturen.