Bücherwurmloch

Mirko Bonné: Nie mehr Nacht

„Hör auf, immer bloß an die Toten zu denken. Denk auch mal an die, die leben, kriegst du das gar nicht mehr hin?“

„Im Grunde ist Annik wie du. Sie wartet, ohne wissen zu wollen, worauf. Wüsste sie es, würde alles vor Unerreichbarkeit stillstehen.“

Dieses Du ist Ira, die Schwester von Markus, und sie ist tot. Sie hat sich das Leben genommen, und Markus vermisst sie sehr. Mit Iras Sohn Jesse, seinem 15-jährigen Neffen, fährt er nach Frankreich. Er soll dort Brücken zeichnen, während Jesse einen Freund besuchen will, der mit seiner Familie ein altes, verlassenes Hotel hütet. Dort, am Strand in Nordfrankreich, verbringen sie mehrere Wochen, in denen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Wahn langsam verschwimmen und sich vermischen. Wieso gelingt es Markus nicht, diese Brücken, über die die Alliierten im Sommer 1944 kamen, auf Papier zu bannen? Wer ist diese Frau, die genauso aussieht wie Ira? Und wird er über ihren Suizid je hinwegkommen?

Nie mehr Nacht ist ein Buch wie ein Sommerflirren. Manchmal kann man nicht alles richtig erkennen, und irgendwie hat man ständig ein leicht drückendes Gefühl. Da ist so viel Traurigkeit, so viel Reue, so viel Nacht. Ich mag den Ton des Romans, sehr melancholisch ist er und schwer, ich mag das Merkwürdige, das Unerklärliche. Was ich dagegen nicht mag, ich gestehe es, ist das Ende – bei solchen Erklärungen, die ich euch nicht spoilern kann, ist meine Tabuhemmung zu groß, anerzogener Ekel macht sich breit. Nachdem Bonné mich 2017 mit seinem Longlist-Kandidaten regelrecht abgeschreckt hat, musste ich mich zu dieser Lektüre – das Buch stand schon vorher im Regal – erst mal überwinden. Das hab ich nicht bereut, auch wenn die Geschichte mich eher ratlos zurückgelassen hat – aber immerhin mit formvollendeten (Sprach-)Bildern im Kopf.

Nie mehr Nacht von Mirko Bonné ist erschienen bei Schöffling (ISBN 978-3-89561-406-4, 360 Seiten, 19,95 Euro).

2 Comments to “Mirko Bonné: Nie mehr Nacht”

  1. In etwa so dachte ich mir, dass dir das Buch „gefällt”, vor allem diese dunklen Gedanken. Sprachlich sehr gut. Das Ende muss ich mal wieder nachschlagen, habe ich schon wieder vergessen.

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