Gut und sättigend: 3 Sterne

David Foenkinos: Souvenirs

„Erinnerungen sind eine Art Hafen, und vielleicht sind sie auch das Einzige, was wirklich uns gehört“
„Mein Sexualleben gleicht einem schwedischen Kinofilm. Manchmal sogar ohne Untertitel.“ Und das ist nicht das einzige Problem des jungen Ich-Erzählers: Vielmehr raubt ihm der Tod den Großvater und versetzt ihm damit einen Schock. Die Großmutter wird ins Altersheim verfrachtet, wo sie unglücklich ist, und ihr Enkel tut sein Bestes, um sie so oft wie möglich zu besuchen. Allerdings ist er tagsüber eigentlich mit Schlafen beschäftigt, weil er nachts an einer Hotelrezeption arbeitet. Das tut er nur in der Hoffnung, von der nächtlichen Arbeit zu schriftstellerischen Höchstleistungen inspiriert zu werden, denn er möchte als Autor tätig sein. Doch daraus wird vorerst nichts, denn als seine Großmutter aus dem Altersheim verschwindet, muss er sie suchen – und findet dabei nicht nur einen Weg in ihre Vergangenheit, sondern trifft auch eine Frau, in die er sich auf der Stelle verliebt …

Ich habe David Foenkinos schon vor einigen Jahren mit dem Buch Das erotische Potential meiner Frau kennengelernt, war damals aber nicht sprachlos vor Begeisterung. So erging es mir dann jedoch mit Nathalie küsst, das ich 2011 im Zuge meiner Jurybeteiligung für den Buchpreis der Mayerschen Buchhandlung lesen durfte und das ja mittlerweile mit Audrey Tatou verfilmt wurde. Dieses Buch hat mich mit seiner Leichtigkeit und Fröhlichkeit verzaubert. Dann kam Souvenirs – und mit Souvenirs ist es schwierig. Weil es ein bisschen was vom Zauber, aber auch einiges von der Enttäuschung für mich hat, die ich mit David Foenkinos schon erlebt habe. Der französische Bestsellerautor nimmt mich mit seinem neuesten Roman mit auf einen Spaziergang durch eine herbstliche Landschaft, die noch von den letzten goldenen Strahlen des Sommers durchzogen ist. Die Blätter fallen langsam durch die Luft und symbolisieren die Vergänglichkeit des Lebens – die Natur legt sich zur Ruhe wie der Großvater des Protagonisten. Es geht um Abschiede und Verlust, um das Wissen, dass nichts von Bestand sein kann und alles sich immer im Fluss befindet – was bedeutet, dass niemand ewig lebt. Ich streife durch die Wiesen, die im Schatten versinken, und erinnere mich an den Sommer, an das Leben, wenn man jung ist und voller Zuversicht. Denn die Souvenirs sind abgespeichert im Kopf und im Herzen, es sind die Erinnerungen, die als Einziges bleiben, wenn alles andere verschwindet. David Foenkinos will mir klarmachen, dass ich wertschätzen soll, was mir wichtig ist – meine Familie, meine Erlebnisse –, weil alles davon jederzeit fort sein kann.

In diesem Sinne ist Souvenirs ein sehr trauriges und sentimentales Buch. Es berichtet vom Übergang von der alten zur jüngsten Generation, vom Sterben, Erinnern und Nach-dem-eigenen-Weg-Suchen. David Foenkinos schreibt wie gewohnt flüssig, klug und gewitzt und überrascht mich mit amüsanten, themenfremden kleinen Einschüben, die nicht ganz so originell sind wie bei Nathalie küsst, die ich aber trotzdem grandios finde. Sie bringen mir Interessantes über die Romanfiguren, aber auch über Presönlichkeiten wie Francis Scott Fitzgerald oder Serge Gainsbourg näher. Inhaltlich kann ich mich jedoch nicht so richtig festhalten an diesem Buch. Ich fühle mich auf meinem Spaziergang seltsam verloren, und als metaphorisch gesehen der Winter beginnt, bricht die Realität mit ihrem tausendfach dargestellten Alltag herein und erzählt mir Trostloses: dass Menschen depressiv werden, weil sie ihr Leben nicht ertragen, dass Träume sich verflüchtigen und dass die Liebe niemals bleiben kann. Desillusioniert und alles andere als verzaubert stehe ich da – die Sonne ist untergegangen, Nebel zieht auf, und mir ist kalt. Natürlich hat David Foenkinos Recht damit, was er mir auf so berührende, eindrucksvolle und emotionale Weise zeigt. Alles, was er sagt, stimmt: Der Lebensabend kommt für uns alle, ebenso wie der Tod. Aber ich vermisse etwas. Eine einzelne blaue Blume, die dem Wind trotzt. Ein letztes optimistisches Lächeln. Eine Erinnerung.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
das Cover passt von der Gestaltung her zum Vorgängerroman bei C. H. Beck, sehr sanfte Töne.
… fürs Hirn: das stets präsente Wissen um die Vergänglichkeit.
… fürs Herz: ach, alles, weil es uns Menschen immer so wehtut, jemanden gehen zu lassen, den wir lieben.
… fürs Gedächtnis:die Hoffnung, die ganz vorsichtig immer wieder um die Ecke lugt.

Souvenirs von David Foenkinos ist erschienen im C. H. Beck Verlag (ISBN 978-3-406-63947-0, 333 Seiten, 17,95 Euro).

2 Comments to “David Foenkinos: Souvenirs”

  1. Ilse

    Da ging es euch ja recht ähnlich, ich habe auch die Rezensionen von der Klappentexterin und der Bibliophilin gelesen – ich hatte den Eindruck, euch allen hat der Roman gut gefallen, aber vom Sockel gehauen nicht. Ich kenne David Foenkinos noch nicht, werde mir aber demnächst lieber Nathalie küsst kaufen.

    Reply
    1. Mariki Author

      Ja, da hast du auf jeden Fall recht. Ich wünsch dir viel Vergnügen mit “Nathalie küsst”! Schön, dass jemand dann trotzdem das Buch kauft, statt den Film anzuschauen 🙂

      Reply

Schreibe einen Kommentar zu Ilse Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.