Für Gourmets: 5 Sterne

Nicole Balschun: Ada liebt

Die Liebe, die Liebe, die Liebe
Wo die Liebe hinfällt, dort will sie wachsen, doch als Ada Bo trifft, ist gleich klar, dass die Liebe in diesem Fall auf schwierigem Boden gesät hat. Mit Böden kennt Bo sich aus, er ist Bauer, Ada dagegen lebt in der Stadt und studiert Literaturwissenschaften. Ada hat Bücher, Bo hat Schweine. Und trotzdem zieht es die beiden zueinander hin, seit sie sich auf Tante Rosis Beerdigung gesehen haben, als Nebenberufssargträger Bo das Gebetbuch ins Grab gefallen ist. Ada verbringt immer mehr Zeit auf Bos Hof, mit seinen Kühen und seiner Leitsau Sigfried, ihr gefällt dieser starke Mann, der so anders ist und anders riecht als sie: “Er trug Gummistiefel und grüne Kordhosen und ein schmutziges Flanellhemd. Seine blonden Locken rollten sich widerspenstig über den Kragen. Seine Hände waren rau und schwarz und in Bos Küche roch es nach Schwein und Kaffee.” Ada beobachtet Bo gern – und das ist ein Problem, das Ada schon seit ihrer Kindheit von ihrer Mutter und bald auch von Bo den Vorwurf einbringt: “Du siehst dem Leben nur zu.” Seltsam passiv ist Ada, ohne Willen oder Wunsch, antriebslos, verloren. Freunde hatte sie nie – außer vielleicht die ebenso stumme Elisabet, der sie später beisteht -, weil sie nicht weiß, wie das geht, mit der Welt in Kontakt treten, einen Gesprächsfluss erzeugen, sich beteiligen. Auch Bo will Beteiligung von Ada, er will sie, diese ganze sture, schweigsame, schüchterne Frau, die nicht kochen und nicht melken kann und die er trotzdem liebt. Aber was will Ada? “Insgeheim wussten wir, dass ich nie eine Bäuerin und Bo nie kein Bauer sein würde, aber wir fühlten einander und machten ansonsten die Augen zu.” Und so beginnt ein stiller Kampf, weil die Liebe wachsen will, größer und stärker werden, und weil sie es nicht kann in diesem unwirtlichen Klima zwischen Lebensangst, Schweinemist und unüberbrückbaren Differenzen: “In diesem Augenblick wurde mir klar, wie klug Bo war, und dass seine Klugheit eine andere war als meine. Bo hatte sein Wissen aus dem Leben und irgendwie auch aus dem Herzen. Ich hatte meines aus Büchern und es konnte doch nicht gut gehen mit uns, und während mir sein Geruch in die Nase stieg, flüsterte ich Bo ins Ohr, du bist so dumm, Bo, und er lachte und flüsterte zurück, und du erst, Ada.”

Obwohl sie nichts anderes tut als lesen und studieren, sind die Worte nicht Adas Freunde, sie findet nie welche, geschweige denn die richtigen. Sie ist neurotisch, abwesend und still, sie lebt hinter einer Glaswand, bis die Bo trifft. Doch wenn einem die Worte fehlen, um ein so großes Gefühl zu kommunizieren, wird dieses Gefühl schwer und erdrückend. Unendlich einfühlsam erzählt Nicole Balschun in Ada liebt von einer Liebe, die so gern sein möchte und nicht kann. Sie tut dies in einer klaren, einfachen, formvollendeten Sprache, perfekt bis zum letzten Buchstaben, elegant, fließend, schön. Dies ist ein Roman, der dem Leser – und es gibt keinen anderen Ausdruck als diesen verkitschten – das Herz bricht, ihn wünschen lässt, er könnte gute Fee spielen, hineingreifen in die Handlung und sie beeinflussen, Ada und Bo an den Schultern packen, ihnen die Zweifel aus dem Kopf schütteln, ihnen den Mut ins Herz zaubern. Dies ist ein Buch, das sich nicht weglegen lässt, das in einem Rutsch gelesen werden will, atemlos, voller Hoffnung, voll heimlicher Wut auf die beiden Protagonisten, die sich doch – bitte! – endlich zusammentun mögen, und zugleich voll Sympathie und Verständnis für sie.

Herrlich gelungen ist die Charakterisierung von Ada und Bo, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Bo hat Kraft, er ist schmutzig, direkt, schlau, und Ada ist derart verzärtelt und krankhaft abweisend, dass sie gar nichts kann, nicht kochen, nicht helfen, nicht reden – man fragt sich, wie sie überhaupt leben kann. Auf einen Schlag stehen die beiden einander gegenüber, und was dann passiert, ist so lustig wie traurig. Schlagfertige Dialoge, ein unfassbar guter Schreibstil, Witz, Weisheit und Realitätssinn machen Ada liebt zu einem Juwel, einem literarischen Schatz, einem besonderen Leseerlebnis – und zu meinem Buch des Monats. Kaufen, lesen, verlieben, seufzen, genießen!

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein unaufgeregtes, passendes, stilvolles, ironisches Cover.
… fürs Hirn: die Frage: Was würde ich tun mit der Liebe zu einem, der Schweine und Kühe hat, Gummistiefel und ein völlig anderes Leben?
… fürs Herz: alles, alles, dies ist ein Buch fürs Herz, ein Herzensbuch, mit jeder Zeile, jedem Satz!
… fürs Gedächtnis: die wunderbar unkitschige Romantik, die zwischen Friedhof, Kuhstall und Oper entsteht – weil dies die Orte sind, an denen gelebt wird, keine künstlichen Werbekulissen, keine Scheinheiligkeit.

Ada liebt ist erschienen bei Dumont (ISBN 978-3-8321-8552-7, 13,99 Euro).

0 Comments to “Nicole Balschun: Ada liebt”

  1. liebes würmchen: vielen dank daß ich hier darüber stolpern durfte!
    eben bin ich durch, einziger wehmutstropfen: daß es mit dem ende anfing … aber auch dann las es sich so mitreißend daß ich wie bei allen guten büchern bereue daß es schon vorbei ist

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    1. Mariki Author

      Ohja, und Wermutstropfen auch: dass es SO EIN Ende ist! Seufz. Manchmal denk ich noch an Ada und Bo und hoffe, dass sie ein anderes Ende gefunden haben, nachdem das Buch aus war … 😉

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      1. ich schwanke ja immer zwischen “wermut” und “wehmut”, also nicht daß ich (bewußt) jemals wermut getrunken hätte … (oder doch? ach ja, martini zählt ja dazu) aber er soll BITTER sein, und wehmut . . . paßt doch stimmungsmäßig auch immer irgendwie in so ein wermütiges thema, war also diesmal absichtlich 🙁
        aber hoffen tu ich auch daß sich vielleicht doch noch ein weg gefunden hat, hach, was soll ich jetzt lesen das es nicht zu schwer hat mit mir?

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