Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Alfred Hayes: In Love

IMG_8245„Nur unsere Leidensfähigkeit haben wir nicht verloren. Wir können wunderbar leiden“
New York in den 1950er-Jahren: Zwei lernen sich kennen und verlieben sich. Er ist älter, sie noch jung, Anfang zwanzig erst, aber schon geschieden und Mutter. Das Kind lebt bei den Großeltern außerhalb der Stadt. Sie lieben sich also und können doch die Distanz, die zwischen ihnen liegt, nicht überwinden, umtanzen und testen einander, haben guten Sex und bleiben einander dennoch fremd. „Zugegeben, ich habe mich oft gelangweilt, sie war oft bedrückt, an manchen Abenden saß ich ihr gegenüber, hörte Radio oder eine ihrer Schallplatten und wusste nicht, worüber ich mich mit ihr unterhalten sollte.“ Doch dann kommt ein anderer Mann ins Spiel, ein reicher Mann, der ihr einfach so 1000 Dollar bietet, wenn sie mit ihm ins Bett geht. Aber huch, wie könnte sie, wo sie doch einen Freund hat? Nur scheint es dem egal zu sein, und er sieht tatenlos dabei zu, wie er sie verliert, und dann, erst dann, als er sie verloren hat, merkt er, dass er sie liebt – und er leidet, doch das Leben ist weitergegangen und es ist zu spät.

Wisst ihr es noch, damals, diese eine Liebe, aus der nichts geworden ist, bei der man schon tief innen drin wusste, dass sie scheitern würde, und an der man trotzdem umso mehr festhielt? Der eine, auf den man nachts vor der Tür wartete, wegen dem man das Telefon nicht verlassen wollte? Von einer solch absurden, unausgeglichenen, sinnlosen Liebe handelt In Love von Alfred Hayes aus dem Jahr 1953. Dieses Buch ist die Wehmut selbst, in Worte gegossen, garniert mit Unfähigkeit und dem Schweigen, das uns so oft überfällt, wenn wir eigentlich von unseren Gefühlen sprechen sollten. Ein schmales, aber intensives Büchlein, in dem der Protagonist seine eigene Geschichte viele Jahre später in einer Bar einer fremden Frau erzählt – und dabei seltsam kühl und distanziert bleibt, sich fast schon lustig macht über sich selbst, seine Geliebte nur indirekt im Konjunktiv sprechen lässt und durch all dieses Abstandhalten erst recht zum Ausdruck bringt, wie sehr er all das bereut. Ein Roman über Unreife und Unfähigkeit, über das Scheitern und den Kummer darüber. Er und sie, seine einstige Liebe, sind Menschen, die ihre Gefühle lieber beobachten, statt sie zu empfinden. Trotz dieser Leichenstarre, die sich von dem Liebespaar auf den Leser überträgt, ist In Love packend, brillant, sehr empfehlenswert. Wer es gelesen hat, sollte sofort seine Liebe gestehen, all jenen, die nichts davon wissen.

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In Love von Alfred Hayes ist erschienen bei Nagel & Kimche (ISBN 978-3-312-00651-9, 144 Seiten, 17,40 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Alfred Hayes addresses the human condition and its heartbreaks with brevity and brutal honesty“, heißt es auf ny.books.com.
– „Alfred Hayes Roman ist zart und melancholisch. In seiner hoffnungslosen Vergeblichkeit so überzeugend, das man ihn lesen muss, wenn man das gelegentliche Kranken an der Welt für einen notwendigen Urlaub von alltäglichem Zweckoptimismus hält. Beide Protagonisten, namenlos wie sie sind, scheitern wie wir alle an sich selbst und aneinander“, schreibt Sophie von Literaturen.
– „Das besondere Raffinement von Hayes’ Komposition besteht darin, dass er seinen Helden einerseits durch dessen Sensibilität und Reflektiertheit über das Modell des «unzuverlässigen Erzählers» hinaushebt, ihn anderseits aber doch nicht ganz auf festen Boden stellt“, erklärt nzz.ch.

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