Bücherwurmloch

Kurt Palm: Monster

Stellt euch vor, jemand würde euch von einem Alptraum erzählen, den er hatte. Da sei eine Krankheit ausgebrochen, würde er sagen, ein Virus, Ebola, ausgelöst durch eine Suppe, die in einem Flüchtlingsheim gekocht und serviert wurde, ein Hundebein und ein Frauenfuß seien angeschwemmt worden am Seeufer, und außerdem habe es da noch Vampire gegeben. Vampirmädchen, um genau zu sein, die in einem Horrorfilm mitspielten, eh klar, und dann sei da noch was gewesen mit lesbischem Sex, aber … hm, daran kann sich der Träumende nicht mehr erinnern. Vermutlich würdet ihr lachen, denn ein Alptraum ist nun einmal verrückt, nicht wahr, keiner kann sich erklären, was da wirklich abläuft im Kopf, und vielleicht würdet ihr euch fragen, was ihr bitte für Leute kennt, die sowas träumen, und genau so ist es, Monster von Kurt Palm zu lesen.

Der österreichische Autor, der für den großartig verfilmten Bestseller Bad Fucking verantwortlich ist, hat mal wieder so richtig auf die Kacke gehauen, und ich bewundere ihn dafür, dass ihm alles wurscht ist. Trash as trash can, scheint sein Motto zu sein, und während man sich noch denkt: Also, Kurt, das kannst du doch jetzt nicht machen, wird einem schon klar: Der Kurt, der kann das. Der tut, was er will, und auf irgendwelche Regeln pfeift er sowieso. Er erzählt auch nicht alles fertig – wenn er keine Lust mehr hat, lässt er eine Figur verschwinden oder einen Handlungsstrang einfach auslaufen. Seine Charaktere beschreibt er gnadenlos direkt:

„Der Investor Alexander Prix war eine Drecksau vor dem Herrn.“

„Mit seinem rotkarierten Stofftaschentusch wischte er sich die Tränen aus den Augen. Dabei blieben ein paar Rotzreste an seinen buschigen Augenbrauen hängen. Bei näherer Betrachtung hätte man allerdings bemerkt, dass es sich bei der Substanz nicht um Rotz, sondern um Spermien handelte. Wie jeden Morgen hatte Gstöttner heimlich auf dem Hochstand in sein Taschentuch onaniert und mit seinem Gegrunze das ganze Wild verscheucht. Nur ein paar Wildschweine waren angetrabt gekommen, weil sie dachten, ein Artgenosse hätte etwas Interessantes entdeckt.“

Sehr österreichisch ist das, ein bisserl vulgär und deswegen lustig. Wie überhaupt das ganze Buch, bei dem man immer wieder, so grausig die Ereignisse auch sein mögen, lachen muss:

„Hans Gstöttner stand in seiner Jägertracht vor dem Gratis-Badetuch des Let’s-do-it-Fachmarkts Krautschneider und Eberhard, auf dem der abgetrennte Frauenfuß und das Hundebein lagen. Gertrude Pixner wusste, dass sie das Badetuch nie wieder verwenden würde. Ein paar Schmeißfliegen hatten sich auf den Frauenfuß gesetzt, um dort ihre Eier abzulegen. Das Stillleben sah aus wie die Werbung für ein veganes Restaurant.“

Ich kann mir nicht helfen, ich hab bei der Beschreibung das Bild sofort haargenau vor Augen. Es ist bissig, dieses Buch, es ist politisch, es ist grotesk. Und auch wenn ich mit diesen Augen immer mal wieder gerollt habe, weil es halt schon unglaubwürdig ist, was da so passiert in diesem Alptraum, weil es gestört ist und keinen Sinn ergibt, hat Monster mich sehr gut unterhalten. Ich hatte Spaß beim Lesen, das passiert mir ja eher selten, und ein bisserl Ehrfurcht auch: Einmal so wild schreiben wie der Kurt, einmal so mit allen Erwartungen brechen und richtig die Sau rauslassen.

„Drehen jetzt alle durch? Ein Monsterfisch, der wahllos Leute tötet. Ein Millionär, der einem Ritualmord zum Opfer fällt. Zwei russisches Statistinnen, die vermisst werden. Eine Innenministerin, die auf mysteriöse Weise verschwindet. Wer denkt sich denn sowas aus?“

Tja nun.

Monster von Kurt Palm ist erschienen bei Deuticke (ISBN 978-3-552-06394-5, 304 Seiten, 21 Euro).

2 Comments to “Kurt Palm: Monster”

  1. Hallo!
    Eine tolle Besprechung zu einem doch etwas merkwürdigen Buch 😀 Aber ja, irgendwie hast du trotzdem Lust drauf gemacht, auch wenn die vielleicht auch eher vorhanden ist, weil der Verstand nunmal unterschwellig morbide tickt. Wer weiß, jedenfalls danke dafür!

    Liebe Grüße!
    Gabriela

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