Viel Lärm um nichts
Für dieses Buch braucht man wahrlich einen Saumagen: Es ist entgegen der Illusionen, die Klappentext und Kritiker wecken, schwere Kost. Dabei könnte alles so schön sein und es fängt auch vielversprechend an: Wir befinden uns in einem herrschaftlichen Haus in Paris, die Bewohner sind so reich, dass sie ganze Etagen besitzen, und es hat auch eine Concierge, Renée, die unheimlich intelligent ist und das mehr oder weniger geschickt verbirgt. Ebenso unheimlich intelligent ist Paloma, die mit ihrer snobistischen Familie im fünften Stock wohnt und sich – aus Überdruss am Leben – an ihrem 13. Geburtstag umbringen will. So weit, so gut. Dann fehlt es nur leider an Handlung. Denn die Autorin ergeht sich in hochtrabenden, philosophischen Betrachtungen über das Leben (Hat eine Katze wirklich die Form einer Katze oder sieht die Katze nur so aus, weil ich denke, dass sie so aussieht, und wie wirklich ist die Katze eigentlich, ist eine Katze überhaupt eine Katze oder nur die Idee einer Katze?), und es nützt einem nicht einmal was, wenn man studiert hat und nicht gerade auf der Nudelsuppe dahergeschwommen ist, diese verbalen Ergüsse gleichen dennoch übertrieben stilisierter Kotze. Mit Platons Höhlengleichnis und dem Konstruktuivismus, auch Theorie von der Theorie von der Theorie genannt, haben wir uns alle schon in der Schule beschäftigt – und die Wirklichkeit ist seitdem auch nicht wirklicher geworden. Von einem Roman erwarte ich außerdem (ganz naiv), dass “etwas passiert” – und ich nicht nur von der Idee einer Handlung lesen muss.
Ein bisschen Schwung in die Geschichte kommt erst, als Monsieur Ozu den Plan betritt, und da der Autorin zufolge alles Japanische (und zwar ausschließlich das Japanische) gut und schön und erstrebenswert ist, wird Monsieur Ozu zum Held von Renée und Paloma, die aber nicht miteinander in Kontakt treten. Es gelingt jedoch auch Monsieur Ozu nicht, die Aneinanderreihung von “tiefsinnigen Gedanken”, unsinnigen Betrachtungen und uninteressanten Überlegungen der beiden Protagonistinnen zu durchbrechen. Es hilft nichts, auch wenn ich mich sehr bemühe, kann ich nicht verhindern, dass die Autorin auf mich überheblich und gewollt intellektuell wirkt, manche Kapitel scheinen nur dazu zu dienen, zu zeigen, wie unglaublich belesen sie ist, aber nein, sie hat auch Filme gesehen (bevorzugt japanische) und – oh schnödes Proletariat – auch “Blade Runner”, natürlich, denn wir haben es hier mit einem Allroundtalent zu tun.
Es ist schade, dass Muriel Barbery so wenig aus dieser völlig handlungs- und sinnfreien Geschichte gemacht hat, die auch noch mit einem Ende aufwartet, das mich vor Wut aufschreien lässt. Den einen Punkt gibt es für den einzigen schönen und richtigen Satz im Buch. Die Kritiker, die Barbery mit Lob überschüttet haben, kann ich nicht verstehen, soll ein Buch gut sein, nur weil es mehr als 17 Fremdwörter enthält, die niemand versteht? Da gibt es nur eine Lösung: Finger weg.