Bücherwurmloch

English-Challenge 2011 over and out
Anfang des Jahres habe ich beschlossen, bei der English Challenge von Buchsaiten und Libromanie mitzumachen. Dabei geht es darum, jeden Monat ein englisches Buch zu lesen und zu rezensieren. Nun erkläre ich diese Challenge offiziell für verloren und/oder abgebrochen. Das Lesen auf Englisch ist nicht das Problem, das tue ich gern und immer – aber ich schaffe es nicht, die englischen Titel auch jeden Monat rechtzeitig zu rezensieren. 9 Bücher in 6 Monaten habe ich bisher in diesem Jahr gelesen, das aktuelle liegt aber noch unrezensiert auf meinem Stapel, und der Juli ist schon vorbei. Die Rezensionsexemplare der Verlage haben bei mir Vorrang, weil ich diese natürlich zeitnah besprechen möchte, und dann sind da noch viele große und kleine Dinge, die meinen Alltag wunderbar ausfüllen … deshalb no more challenge for me und ich atme erleichtert auf.

Für Gourmets: 5 Sterne

Das dicke Mädchen mit dem himmelblauen Koffer
Dass man es nicht verhindern kann, jemanden zu lieben, begreift Finn in jenem Sommer, den er mit Linda verbringt auf einer Insel in einem Zelt, in jenem Sommer, in dem er Boris trifft, einen Freund für tägliche Abenteuer, jenem Sommer, in dem Linda schwimmen lernt. Zuvor war Finn allein mit seiner Mutter, sein Vater – ein Kranführer – ist gestorben, aber da waren die Eltern schon geschieden, und die Witwenrente bekommt Vaters zweite Frau. Die Mutter arbeitet in einem Schuhladen, doch weil das Geld nicht reicht, müssen sie einen Untermieter aufnehmen und der rätselhafte Kristian zieht ein. Er ist rüpelhaft und charmant zugleich, was die Mutter ein wenig aus der Bahn wirft: “Es war wohl die Mischung, die sie umwarf, dass ein und derselbe Mensch Wörter wie Arschloch und sporadisch enthielt, als sei der Bursche eine Promenadenmischung, ein Mann ohne Heimat, und das ist, wie jeder weiß, ein Zigeuner, was wiederum falsch und unzuverlässig bedeutet, hatten wir uns also hier in unserer Idylle ein trojanisches Pferd aufstellen lassen?” So richtig aus der Bahn wirft die Mutter – und Finn – dann aber die Ankunft von Linda, Finns Halbschwester: “Dann kam Linda. Sie kam mit dem Bus. Allein.” Linda ist dick und schweigsam, hat struppiges Haar und einen kleinen himmelblauen Koffer. Von nun an ist Finn gefangen zwischen widersprüchlichen Gefühlen, zwischen der Eifersucht auf die Zuneigung, die die Mutter bald für Linda empfindet, und der Verantwortung, allzu plötzlich ein großer Bruder zu sein. Da die Mutter weiterhin arbeiten muss, passt Marlene auf die Kinder auf: “Marlene war wie geschaffen dazu, alles Schiefe und Seltsame hier auf der Welt in Ordnung zu bringen, mit ihren Worten, ihrer Schönheit und mit ihrem roten Lächeln.” Und als aufkommt, dass hinter Lindas Schwerfälligkeit etwas ganz anderes steckt als geistige Entwicklungsverzögerung, vertieft sich die Geschwisterbeziehung von Finn und Linda. Die beiden erleben einen Sommer, wie er unbeschwerter nicht sein könnte. Doch dann ist der Sommer vorbei, und Finn bekommt vom Leben die Lektion erteilt, dass nicht alles so sein kann, wie man es sich wünscht. Dass es wehtun würde, dieses Leben mit Linda, das hat er schon zu Beginn geahnt, als Linda zum ersten Mal nach Mutters Hand griff: “Und das konnte ich nicht länger mit ansehen, diesen Griff, von dem ich instinktiv begriff, dass es ein Griff fürs Leben war, der fast alles verändern würde, nicht nur in Lindas Dasein, sondern auch in Mutters und meinem, es war so ein Griff, der sich um dein Herz schließt und es wie in einem Schraubstock festhält, bis du krepierst, und der auch noch da ist, wenn du im Grab liegst und verfaulst.”

Es sind die großen Themen, die der norwegische Schriftsteller Roy Jacobsen aufgreift in diesem Roman, Drogensucht, Kindesmissbrauch, Geschwisterliebe, finanzielle Not und das Talent der Kinder, immer auf den Füßen zu landen. Er tut dies so feinfühlig, intelligent und elegant, dass sein Stil mir ein zufriedenes Aufseufzen entlockt. Ich fühle mich wohl in dieser Sprache wie in einem Daunenbett, das sich mir perfekt anpasst, wie in einem Whirlpool mit genau der richtigen Temperatur. Mit beachtlichem Talent hat Roy Jacobsen die Stimmungen eingefangen und zu Papier gebracht, die dieses Buch dominieren und zu etwas Besonderem machen: Fremdheit und Pflichtgefühl, Überforderung und langsames Zusammenwachsen – allen Widrigkeiten zum Trotz. Ganz ohne Kritik kommt Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte nicht davon, mir bleibt Kristians Figur letztlich zu schleierhaft, und die Distanz zwischen Linda und Finn ist mir teilweise etwas zu groß – wobei das aber vermutlich Geschwisterliebe ausmacht, dass man jemanden beschützt und zugleich ganz schrecklich von ihm genervt ist. Die Ereignisse zum Ende hin haben mich kurz entsetzt aufheulen lassen, der Schluss ist dann aber versöhnlich genug. Obwohl dieses Buch einen verträumten, freundlich-naiven Eindruck macht, gibt es in Wahrheit Einblick in eine eiserne, tausendfach auf diese Art erlebte Realität. Der kleine mutige Finn wächst mir ans Herz, ebenso wie die ganze zusammengewürfelte Familie in der winzigen Genossenschaftswohnung im norwegischen Nirgendwo. Roy Jacobsens Stil erinnert mich an jenen von Per Petterson, den ich sehr mag, dieses Nordische, Ruppige, Raue hat seinen ganz eigenen Zauber. Dieser Roman ist wie ein Sommer voll lauer Nächte und Geheimnisse, wie ein guter Freund, an den man gerne denkt. Meisterhaft!

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ja! Das ist Sommer, so sähe er aus, gäbe es ihn in Bildform. Sehr schön, sehr passend.
… fürs Hirn: die unglaubliche Leichtigkeit, mit der sich Roy Jacobsen schwerer Themen annimmt, und wie er daraus ein zartes Sommerkleid häkelt, das überraschend gut wärmt.
… fürs Herz: dass Finn ganz tapfer, aber auch sehr eigensinnig versucht, mit allem allein fertig zu werden – wie ein typischer unkommunikativer Mann im Miniaturformat.
… fürs Gedächtnis: mein Lieblingszitat: “Linda fand das witzig, sie lachte sogar, mit einem Lachen, das klang wie ein erfüllter Wunsch, ich weiß nicht, ob es ihrer war oder meiner.”

Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte ist erschienen im Osburg Verlag (ISBN 978-3-940731-58-6, 19,95 Euro).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

“Immer habe ich nah bei Felix gestanden, aber der Fokus war stets auf ihn gerichtet”
“Ich habe mich so lange nicht gemeldet, dass Jakob sich nach mir erkundigt hat. Manchmal ist er wie eine Tante, die nur das Beste will, dabei antiquiert wirkt und fehl am Platze. Seine Sätze werden dann linkisch wie bei anderen Menschen die Bewegungen.” Diese Zeilen liest Jakob im Tagebuch seines Freundes Felix – und sie offenbaren ihm mehr, als er wissen sollte. Felix ist verschwunden, einfach so, ohne Ankündigung, ohne Erklärung, während des Biertrinkens in der Kneipe. Jakob ist verwirrt, verunsichert, kann das Fortgehen seines Freundes aus Kindertagen nicht akzeptieren. Er schleicht sich über Felix’ Exfreundin, die robuste, dicke Manja, in dessen Wohnung ein, stöbert in Felix’ privatestem Besitz, setzt sogar seine Beziehung zu Sara aufs Spiel, die seiner Obsession nichts abgewinnen kann – und verliert sich selbst völlig in seiner Suche nach Felix’ Spuren.

“Ich werde mich konzentrieren müssen, um die Kontrolle zu behalten, sie wiederzuerlangen, wenn ich sie schon verloren habe. Ich werde lesen, von Felix, und an einem Punkt werde ich vielleicht begreifen, dass es nichts zu verstehen gibt. Dann werde ich es hoffentlich gut sein lassen.” Zwei Ich-Erzähler gibt es in Hannes Köhlers melancholischem Buch In Spuren, zwei Freunde, die – bei genauerem Hinschauen – vielleicht gar keine waren. Felix, der sich aus dem Staub gemacht hat, ist nicht anwesend im Roman, seine Stimme hören wir aus seinem Tagebuch, ihn sehen wir durch die Augen von Jakob, der bei seinen Nachforschungen so viel Neues über Felix erfährt, dass er das Gefühl bekommt, ihn gar nicht gekannt zu haben. Weil er blind war für die wahre Persönlichkeit von Felix oder weil dieser sie ihm bewusst verheimlicht, sich ihm nie richtig gezeigt hat? Das ist die Basis dieses Buchs, eine Frage, die uns mit Sicherheit alle in so mancher rätselhaften Stunde verfolgt: Was wissen wir wirklich über die, die wir lieben? Und was geschähe, wenn wir alles erführen?

Zwei junge Männer sind Hannes Köhlers Protagonisten, entspannt, fröhlich, fertig mit dem Studium und halb im Arbeitsleben, befreundet und vermeintlich sorglos. Erst als Felix nicht mehr da ist, sieht Jakob ihn wirklich, liest von seinen Ängsten und Neurosen, seiner Gewalttätigkeit, seinen Gedanken an Flucht. Beklemmend authentisch beschreibt der junge deutsche Autor, wie Jakob sich einnistet in Felix’ Fehlen, wie ihm mit Felix’ Fortgang auch ein Stück von sich selbst abhandenkommt, er findet abgedrehte, ausdrucksstarte Worte für all das, was die Freunde einander nie gesagt haben. In Spuren ist ein fragmentarischer, lyrischer Roman über das Rätsel der Freundschaft, ein einziger Fluss ohne Kapitel, ein verschlingender Strom, in dem man versinken kann und muss. Die Klappentexterin hat mich aufmerksam gemacht auf dieses leuchtende, interessante Buch, das so vielseitig und stellenweise nebelverhangen ist wie die Stadt Berlin, in der es spielt. Sie hat auch ein lesenswertes Interview mit Hannes Köhler geführt, in dem er über das Wesen der Freundschaft spricht und über die Idee zu diesem kraftvollen Roman, den der kleine mairisch Verlag – IndieVerlag für junge Literatur lautet dessen Eigenbezeichnung – publiziert hat.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein helles, verschwommenes, fast schon in Luft aufgelöstes Cover, das mir erst den Eindruck vermittelt hat, der Roman spiele auf dem Land.
… fürs Hirn: die Frage, auf die wir die Antwort gar nicht unbedingt wissen wollen: Was denken unsere Freunde tatsächlich von uns?
… fürs Herz: der Gedanke, wie es hätte sein können, hätten die Freunde sich einander geöffnet, hätten sie wirklich hingeschaut.
… fürs Gedächtnis: die schockierenden Gewaltausbrüche zwischen Jakob und Manja.

In Spuren ist erschienen im mairisch Verlag (ISBN 978-3-938539-18-7, 17,90 Euro).

Gut und sättigend: 3 Sterne

“Meine Frau findet mich gerade etwas zu klein für mein Gewicht”
Unterhaltsam sind sie, die 61 in diesem Buch versammelten Kolumnen von Jan Weiler aus der Welt am Sonntag. Der Autor hat vor allem mit Maria, ihm schmeckt’s nicht – das auch verfilmt wurde – und Antonio im Wunderland Aufmerksamkeit erregt, beides witzige Bücher über seinen Schwiegervater, den Italiener Antonio. Mit dem Humor ist es ja, wir wissen es alle, so eine Sache: Der eine lacht sich schief, der andere verzieht nicht einmal den linken Mundwinkel. Die beiden genannten Romane von Jan Weiler habe ich gelesen, und sie haben mich in heitere Stimmung versetzt. In abgeschwächter Form gelang dies auch mit Mein Leben als Mensch. Für genügend Erzählstoff sorgen in Jan Weilers Leben seine Kinder Nick (der ihn schon mal einen Scheißpapa nennt) und Carla (die mit neun Jahren schon pubertätsähnliche Verhaltensweisen zeigt), sein bekannter Schwiegervater, seine Frau Sara und die Frustrationen des Alltags im Allgemeinen. Er wandelt das, was ihm passiert, um in jeweils drei Buchseiten Geschnatter.

Mein Leben als Mensch wirkt ein wenig wie ein lustiges Tagebuch, wie ein lesenswerter Blog. Nicht allzu geistreich, aber genau das Richtige für zwischendurch, um abzuschalten, zu schmunzeln und zu merken: Achja, das Chaos wohnt nicht nur bei mir daheim. Auch bei Jan Weiler ist es des Öfteren zu Gast. Dieser Autor ist ein typisch deutscher Mann, der schreiben kann und erzählt, wie es ihm so ergeht im Leben. Die Geschichte mit dem “Flakebildschirm” gefällt mir am besten. Alle sind sie Momentaufnahmen, Anekdoten, Gedankengänge. Es ist ja so eine Sache mit dem Wort nett, es gilt als verpönt. Jan Weilers Kolumnen sind aber nett – im besten Sinn, den dieses Wort noch hat. Sie versprechen keinen Tiefgang, sondern Unterhaltung. Und dieses Versprechen halten sie ein. Ein “Best of”, ansprechend illustriert von Larissa Bertonasco.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
gelungenes Cover, zeigt gleich, was einen erwartet.
… fürs Hirn: hmmm … eigentlich nichts. Und das muss auch mal sein.
… fürs Herz: das Schmunzeln darüber, wie Jan Weiler in seiner Familie stets überstimmt wird – sogar vom Au-pair-Mädchen.
… fürs Gedächtnis: das Aufseufzen ob der eigenen Kindheitserinnerungen an die Urzeittierchen aus dem Ybbs-Heft.

Für Gourmets: 5 Sterne

“Das Alleinsein ist eine steile Rutsche, auf der man sich mühsam im Gleichgewicht hält”
Am wichtigsten war Marianne immer die Ordnung. Geputzt hat sie fleißig in dem Haus, das Hermann ihr gebaut hat, seine Kleider geflickt, hinter ihm hergeräumt, den Boden gewienert, die Fenster poliert. Sorgsam war Marianne schon immer, hat Socken und Pullover gestrickt zum Verkaufen, damals, daheim in Südtirol, während die Italiener die Dörfer besetzten und ihnen neue Namen erfanden. Dass das halbe Leben Ordnung sei, hat sie später auch der Kleinen eingebläut, Friederike, die Mariannes geschickte Hände hat und Hermanns anklagenden Blick. Fast dreißig war Marianne schon, als Hermann kam, um sie zu heiraten, und was hätte sie da anderes tun können als mitgehen mit ihm ins Salzburger Land. “Hermanns Kleider hat sie wunderbar in Ordnung gehalten. Mit ihm ist es ihr nicht gelungen.” Denn Hermanns Jähzorn und seine Wutausbrüche waren unberechenbar. Jahrzehntelang hat Marianne gelitten, gegangen ist sie nicht. Doch dann befreit ein Unfall Marianne von ihrem Mann, dem Haustyrann: Er stürzt die Treppe hinunter und stirbt. Endlich ist Marianne allein, aber Erleichterung verspürt sie nicht, entgleitet ihr doch langsam, aber sicher all die Ordnung, auf der ihr Leben fußt. Sie verwechselt die Wochentage, die Zeit treibt Spielchen mit ihr, sie geht ohne Hut zum Einkaufen, schmiert Marmelade auf die Treppe und versucht, mit Zettelchen in sauberer Schrift gegen die Ohnmacht, gegen die bedrohlichen Löcher in ihrem Kopf anzukämpfen. Und ihre Kleine, inzwischen Mitte dreißig, muss sich der Beziehung zur fordernden und zugleich unfähigen Mutter stellen, gequält von der Frage: Ist ihr Vater gefallen oder hat Marianne ihn gestoßen?

“Das Kind, das ich gewesen war, war im Betrachten der Eltern gänzlich aufgesogen und aufgelöst. Ich hatte sie auswendig gelernt, sie und ihn, wie zwei Geschichten, die von einer unheimlichen und bösen Macht zu einer zusammengezwungen worden waren. Lange war ich den Verdacht nicht losgeworden, dass ich diese Macht war.” Ich-Erzählerin Friederike setzt sich auseinander mit ihrer Kindheit, mit dem penetranten Ordnungsfimmel der Mutter und den gebrüllten Attacken des Vaters. Ihr gegenüber stellt die österreichische Autorin Gudrun Seidenauer die demenzkranke Marianne, die sich in den Anforderungen des Alltags verliert, die alles nur noch durch einen Nebel wahrnimmt und sich so wahnsinnig anstrengen muss, damit niemand etwas merkt. Geblieben ist ihr einzig die Erinnerung, hinschauen kann sie nur “dorthin, wo die Zeit klar bleibt und das, was geschehen ist, unverwischbar, wie in Bernstein”. Friederike ist geflohen aus ihrem Elternhaus, in dem es nur oberflächlich sauber war, hat Jakob geheiratet – ein Ruhepol von einem Mann – und sich abgenabelt. Doch Hermanns Tod wirbelt die Gefühle auf wie ein Sturm den Sand im Meer. Gudrun Seidenauer setzt einen dichten Deckel auf die Emotionen, die seit Jahren in Marianne und Friederike gären, lässt sie hochkochen und fängt gekonnt die funkelnden Scherben ein, als im entscheidenden Moment die erwartete Explosion erfolgt. Mit großem Einfühlungsvermögen und trittsicherem Sprachtalent widmet sie sich den Themen Demenz und Mutterliebe, dem Freiheitsdrang gegängelter Kinder und der vielleicht übertriebenen Macht, die wir unseren Erinnerungen zuschreiben. Aufgetrennte Tage ist ein klangvoller, zartsinniger, innerlicher Roman, voll Ehrlichkeit, Klarheit und geglückter Formulierungen. Dies ist ein Buch, in dem es keine falschen Töne gibt, stimmig reihen sich die Sätze aneinander wie Muscheln an einer Kette. Die Schriftstellerin, die in meiner Nähe im selben Dorf wie meine Mutter wohnt, findet mit Leichtigkeit hinein in ihre zwei unterschiedlichen Frauenfiguren, schafft herrliche Sprachbilder und erzählt eine lesenswerte, lebendige, gut konstruierte Geschichte, die an unser Inneres, an unser Menschsein rührt. Chapeau!

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
für mich das bisher schönste Cover meiner 2011 gelesenen Bücher. Ein Bild, das Kraft und Gefühl ausstrahlt.
… fürs Hirn: die authentische Darstellung von Demenz; die scharfe Ironie, mit der einer so über die Maßen ordentlichen Frau das geregelte System zusammenbricht.
… fürs Herz: die tapfere Verzweiflung, mit der die beiden Frauen in diesem Buch sich an ihre jeweilige Ordnung klammern, die ihnen das Leben erträglich machen soll.
… fürs Gedächtnis: neben meiner allgemeinen Begeisterung für dieses Buch ist mir der spannende und originelle Einfall, dass Friederike eine Geliebte hat, am meisten im Gedächtnis haften geblieben.

Aufgetrennte Tage ist erschienen im Residenz Verlag (ISBN 9783701715145, 21,90 Euro).

Bücherwurmloch

Das Bücherwurmloch verneigt sich dankend!
Ich bin ja schon sehr gut erzogen. Deshalb sage ich immer Bitte und Danke. Ein ganz besonders großes DANKE möchte ich an dieser Stelle einmal an die vielen Verlage und ihre lieben Pressemenschen richten, die mich und das Bücherwurmloch stets mit ausgezeichnetem Lesefutter in Form von Rezensionsexemplaren versorgen. Ich freue mich über das abwechslungsreiche Mahl, das ich dank ihrer Unterstützung für den Bücherwurmlochmagen zusammenstellen kann, und bemühe mich stets, ihren Erwartungen mit meinen Besprechungen auf ehrliche Weise gerecht zu werden. An dieser Stelle seien die Verlage einmal genannt, denen diesen freudvolle Dankeschön gewidmet ist:

Der dtv hat mir mit Stillborn von Michael Stavaric und Das Buch Dahlia von Elisa Albert schockierend-mitreißende Lesestunden spendiert, aktuell fiebere ich der Lektüre von Lorenzos Reise von Andrea Bajani entgegen.

Vom Eichborn Verlag habe ich Isabel Ashdowns Am Ende eines Sommers sowie das wunderbare Paradies des August Engelhardt von Marc Buhl bekommen, Droemer Knaur hat Was niemand sah von Eli Gottlieb und Der verführerische Charme der Durchschnittlichkeit von Melissa Jacoby spendiert.

Viel Spaß hatte ich mit Rayk Wielands Ich schlage vor, dass wir uns küssen und Marco Balzanos Damals, am Meer aus dem Verlag Antje Kunstmann.

Dem Dumont Verlag danke ich herzlich für Der Vogel, der spazieren ging von Martin Kluge, Die Vorstadtheiligen von Lidia Amejko, Der unmögliche Roman von Zoran Živković sowie Deutschland. Ein Bilderbuch von Isabel Kreitz.

Dem Klett-Cotta Verlag bin ich für Zwei schwarze Jäger von Brigitte Kronauer sowie Der Wintergast von Elisabeth Binder zu Dank verpflichtet.

Vom Diogenes Verlag habe ich Solar von Ian McEwan erhalten, vielen Dank dafür!

S. Fischer hat mir mit Unter diesem Einfluss von Henning Kober und Der Rest ist Schweigen von Carla Guelfenbein verwirrende und tief traurige Lesestunden beschert und sei bedankt.

Ein Dankeschön an Edition Nautilus für Menschen aus Papier von Salvador Plascencia.

Piper danke ich für Gasthauskind von Ingried Wohllaib und Tagebuch eines Mörders von Kerstin Ekman.

Mit Lost City Radio David Alarcón aus dem Wagenbach Verlag habe ich wunderbare Stunden verbracht, ebenso mit Man Down von André Pilz und Mit den Frauen von Dante Maria Franzetti aus dem Haymon Verlag.

Ein großes Dankeschön geht an den Galiani Verlag für Die Stille nach dem Gesang von Katharina Döbler und Zur falschen Zeit von Alain-Claude Sulzer. Aktuell bin ich gespannt auf Das Glück der Zikaden von Larissa Boehning.

Luchterhand hat mir Alle Farben des Schnees von Angelika Overath geschickt, der Verlag Oetinger hat mir mit Der Märchenerzähler Lesefreude bereitet.

Dem Residenz Verlag danke ich herzlich für Unter uns von Angelika Reitzer und Aufgetrennte Tage von Gudrun Seidenauer, das ich gerade lese.

Der Steidl Verlag hat mit Der bisher beste Tag meines Lebens von Greg Ames ein grandioses Buch herausgebracht, für das ich vielmals danke.

Die DVA hat mir Die Glasfresser von Giorgio Vasta geschickt, ein zutiefst berührendes und verstörendes Buch. Vielen Dank!

Bei Berlin University Press bedanke ich mich für Gott im Reiskorn von Mariam Kühsel-Hussaini. Leider war Frau Kühsel-Hussaini mit meiner (hymnischen) Rezension nicht zufrieden und hielt es für nötig, mich übelst zu beschimpfen.

Der Knaus Verlag hat mich mit Wunderland von Sophie Albers unterstützt, der Thiele Verlag mit Die besten Wochen meines Lebens von Martin Page.

Ein herzliches Dankeschön schicke ich dem Berlin Verlag für den schrägen Roman Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen von Aimee Bender und dem Verlag Voland & Quist für das hervorragende Buch Lebt wohl, Cowboys von Olja Savičević.

Dem Mairisch Verlag danke ich vielmals für In Spuren von Hannes Köhler, das ich gerade zu lesen begonnen habe, und dem Osburg Verlag für Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte von Roy Jakobsen, das ich als Nächstes verspeisen werde.

Bücherwurmloch

6 Monate Lesezeit: Was bisher im Bücherwurmloch geschah
Halbzeit! Das Jahr 2011 ist bereits zur Hälfte um. 40 Bücher hat es dem Bücherwurmlochmagen bisher beschert. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz und ein kurzes Fazit!

6 Bücher haben es auf den Olymp geschafft, sie haben 5 von 5 möglichen Punkten in der Bewertung erhalten.

Es sind dies:
Der bisher beste Tag meines Lebens von Greg Ames
Das Paradies des August Engelhardt von Marc Buhl
Wie wir verschwinden von Mirko Bonné
Room von Emma Donoghue
Lebt wohl, Cowboys von Olja Savičević
Damals, am Meer von Marco Balzano

Davon bisher immer noch das beste Buch des Jahres: Room.

Das im Gegenzug bisher schlimmste Buch war The Night Counter von Alia Yunis. Ein langweiliger Graus.

Am kitschigsten fand ich Pierre Szalowskis Bei Kälte ändern die Fische ihre Bahnen, am verwirrendsten Der Wolkenatlas von David Mitchell und am skurrilsten Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte von Ljudmila Petruschewskaja.

Das enttäuschendste Buch bisher war Der Himmel unter der Stadt von Colum McCann, das schrägste Die Vorstadtheiligen von Lidia Amejko und das schockierendste Die Glasfresser von Giorgio Vasta.

Die besten Kurzgeschichten hat mir David Benioff in Alles auf Anfang erzählt. Am meisten geschmunzelt habe ich bei Die besten Wochen meines Lebens begannen damit, dass mich eine Frau verließ, die ich gar nicht kannte von Martin Page und wie Urlaub angefühlt hat sich Marco Balzanos Damals, am Meer.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren literarischen Leckerbissen, die das Jahr noch bringen wird!