Netter Versuch: 2 Sterne, Snacks für zwischendurch

RaskerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Die Zwillinge Job und Jona leben stark aufeinander fixiert mit ihrer Mutter, einer Theaterschauspielerin, zusammen – ihren Vater kennen sie nicht. Aus für die Buben nicht nachvollziehbaren Gründen gibt die Mutter den sensiblen Jona zu einem fremden Ehepaar, wo er einige Zeit lebt. Als der Theaterregisseur, von dem die Kinder denken, dass er ihr Vater sein könnte, stirbt, holt die Mutter Jona zurück. Doch das Familiengefüge ist zerstört, auch wenn die Verbindung zwischen den Zwillingen nach wie vor eng ist. Die Tragödie, die von Anfang an in der Luft lag, nimmt ihren Lauf.

Hat’s gemundet?
Nicht so sehr. In der Nähe des Meeres ist ein sehr schmales und dennoch sehr anstrengendes Buch. Maya Rasker will, so scheint es mir, sehr viel von mir: Sie will mich mit poetischen Formulierungen verzaubern, mit undurchsichtigen Metaphern verwirren, sie will, dass ich errate, was sie nicht ausspricht, und dass ich all die Hinweise verstehe, die sie mir nicht gibt. Und ich bin dezent überfordert und genervt, auch wenn mir ihre Sprache sehr wohl mehr als einmal ein Lächeln entlocken kann. Letztlich bleibt dieser Roman für mich so fragmentarisch und unzusammenhängend wie ein Entwurf, obwohl die Autorin am Ende noch ein wenig Einblick in das Leben der Mutter gibt, was vermutlich zur Erklärung ihrer Handlungsweisen dienen soll, mir aber auch nicht unbedingt weiterhilft. Von diesem Buch bleibt bei mir nur ein Stirnrunzeln.

Wer soll’s lesen?
Wer trotzdem will …

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

TylerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Zwei Mädchen aus Korea, zwei amerikanische Familien, ein Tag am Flughafen: Als die Amerikaner Brad und Bitsy sowie die iranischen Einwanderer Sami und Ziba ihre koreanischen Adoptivbabys in Empfang nehmen, kommen sie miteinander in Kontakt – und aus der Zufallsbegegnung entsteht eine Art Freundschaft, die viele Jahre andauert, allerdings eher forciert ist und von den Mädchen sogar fast abgelehnt wird. Sehr auffällig im direkten Vergleich sind dabei die Unterschiede der beiden Elternpaare im jeweiligen Umgang mit den Adoptivkindern, die natürlich – aber nicht nur – auf ihre eigene verschiedenartige Herkunft zurückzuführen sind.

Hat’s gemundet?
Nein. Da lese ich endlich mal ein Buch von Anne Tyler, die so hochgepriesen wird, und dann gefällt es mir nicht. Denn während die Romanidee durchaus interessanten Stoff verspricht, ist das Buch alles in allem eine öde Aneinanderreihung vieler verschiedener Speisen, Kleidungsstücke und Erziehungsmaßnahmen. Ständig erzählt die Autorin mir, wer welches Gewand anhat, was die Iraner kochen und was die Amerikaner servieren, dass das eine Mädchen seinen koreanischen Namen behält und das andere nicht, dass das eine in die Vorschule geht und das andere nicht – aber was die Figuren empfinden, wie sie mit der Adoption umgehen, was sie denken und nicht auszusprechen wagen, das sagt sie mir nicht. Dabei hätte mich ja nur das interessiert. Denn dass Bitsy gern handgewebte hellblaue Kittel trägt – das ist mir herzlich wurscht. Genau wie letzten Endes leider auch dieses ganze Buch.

Wer soll’s lesen?

Keiner.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne, Snacks für zwischendurch

CunninghamSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um den New Yorker Galeristen Peter und seine Frau Rebecca, die in Manhattan leben. Die Tochter ist aus dem Haus und meldet sich selten, Geld ist genug vorhanden, und so widmet sich Peter der Kunst und Rebecca dem Magazin, das sie herausgibt. Die beiden haben es sich gemütlich gemacht an der Seite des jeweils anderen. Ein wenig Leben in die Bude kommt mit der Ankunft von Mizzy – „the mistake“ –, wie Rebeccas viel jüngerer Bruder Ethan von allen genannt wird. Er ist klug, jung, schön, hat Potenzial und nutzt es nicht, er ist ein Verlorener. Angeblich seit einiger Zeit clean, wird Mizzy von Peter beim Drogenkonsum erwischt. Und da Peter Rebecca nichts erzählt, teilt er nun ein Geheimnis mit Mizzy – und da kommen noch mehr …

Hat’s gemundet?

Ja. Michael Cunningham, der mit „The Hours“ den Pulitzer Preis gewonnen hat, schreibt außerordentlich gut. Inhaltlich dem Roman von Paula Fox, den ich direkt davor gelesen habe, sehr nahe, gefällt By nightfall mir aber um ein Vielfaches besser, das Buch ist ausgefeilt, klug, witzig und überraschend. Ich hatte einen sehr verblüffenden „Damit hab ich nicht gerechnet“-Moment und finde auch das Ende gar nicht mal so vorhersehbar. Wie ein kleiner Bach plätschert dieser Roman ruhig vor sich hin, erzählt und murmelt ein bisschen, reißt niemanden vom Ufer mit, hat aber durchaus einen spürbaren Sog. Ein Buch, das nicht fordert, nicht brennt und nicht schockiert, aber sehr lesenswert und interessant ist.

Wer soll’s lesen?

Alle, die sich für Kunst interessieren und zwischendurch mal Lust auf was Ruhiges haben.

Netter Versuch: 2 Sterne, Snacks für zwischendurch

FoxSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Sophie und Otto sind ein gesetztes Ehepaar im New York der 1970er-Jahre, er ist Anwalt, sie Übersetzerin, arbeitet allerdings nur sporadisch. Als Otto sich mit seinem Kanzleipartner überwirft, reagiert Sophie verstimmt und gereizt – es passt ihr nicht, dass die bisherige Ordnung in eine Schieflage gerät. Es scheint, als würde die Veränderung auch auf die Ehe der beiden übergreifen, sie diskutieren und streiten, finden keinen gemeinsamen Weg, wandern aber dennoch nebeneinander her, denn eine Trennung steht auch nicht zur Debatte.

Hat’s gemundet?

Nicht so sehr wie gedacht. Das Buch wurde mir mehrfach empfohlen, es gilt als „literarische Sensation“ und wurde „als eines der wichtigsten amerikanischen Werke des 20. Jahrhunderts gefeiert“. Das kann ich in Hinblick auf die Darstellung und Abbildung einer gewissen Lebenseinstellung verstehen, Paula Fox porträtiert ein Ehepaar, eine Zeit, eine Stadt – aber mir selbst hat der Roman absolut nichts mit auf den Weg gegeben. Ich empfinde die beiden Protagonisten als überaus hysterisch – wie sie beispielsweise Seiten über Seiten wegen des Katzenbisses diskutieren, ging mir regelrecht auf die Nerven – und kann ihren drögen Dialogen zum Teil nicht ganz folgen, weil sie abdriften und sich verwickeln, sich regelrecht verrennen in ihre vermeintlichen Probleme, die in meinen Augen überhaupt keine Probleme sind. Es ist oft abschätzig von Müll, Drogen, Obdachlosen und Negern in New York die Rede, aber immer nur als Seitenhiebe, es entwickelt sich daraus kein Inhalt, die Stadt ist eine schmutzige Kulisse. Sprachlich ist das Buch in Ordnung, aber natürlich veraltet und teilweise recht sperrig. Ich hab es gern gelesen, werde es aber auch – schwupps – wieder vergessen.

Wer soll’s lesen?
Alle, die die grandiosen Kritiken vielleicht besser nachvollziehen können als ich.

Gut und sättigend: 3 Sterne, Snacks für zwischendurch

MaksikSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Will Silver ist an der englischsprachigen höheren Schule in Paris so etwas wie der Star unter den Lehrern: Die männlichen Schüler bewundern ihn, die weiblichen wollen mit ihm ins Bett. Er unterrichtet Literatur, ist engagiert und mit Herzblut dabei – in seinem Seminar soll diskutiert werden über Gott, Moral, Camus und Shakespeare. Die Schüler – wie Gilad – sind davon überzeugt, nirgends so viel fürs Leben zu lernen wie bei Will. Frei von Fehlern und menschlichen Begierden ist allerdings auch der angehimmelte Lehrer, der sich gern als einsamen Wolf inszeniert, nicht, und so kommt es dazu, dass Will mit der 17-jährigen Schülerin Marie schläft. Dass er seiner Karriere damit nichts Gutes tut, ist klar, und die Folgen sind mehr als absehbar.

Hat’s gemundet?
Ja. seinodernichtsein ist eine feinsinnige, melancholische, traurige Geschichte, die durch kleine Exkurse in die Philosophie Stoff zum Nachdenken bietet, ansonsten aber einfach nur erzählt, und zwar aus der Perspektive von drei Figuren: Will, Marie und Gilad. Über Will erfährt man wenig, er bleibt geheimnisumwoben, umgeben von Einsamkeit, seltsam entrückt. Maries Stimme gefällt mir am besten; sie ist jung, verzweifelt, verliebt, irgendwie unfertig, aber auch hoffnungsfroh. Gilad liefert ein bisschen Hintergrund zum Leben als reicher Einwanderer in Paris. Mir fehlt die große Erkenntnis, ein Fels, der dieses Buch herausragend macht, aber das stört nicht weiter – es ist sehr gut geschrieben, interessant, niveauvoll, es vertreibt dem Leser die Zeit. Mehr kann es nicht, muss es aber auch nicht.

Wer soll’s lesen?
Freunde von melancholischen Storys, die es nicht stört, wenn das Ende der Geschichte vorhersehbar ist.

Gut und sättigend: 3 Sterne, Snacks für zwischendurch

StrubelSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Um Erik, den „Jungen“, der den Sommer auf einer winzigen Insel in der Ostsee verbringt, weil er fasziniert ist von der Ornithologin Inez. Um Inez, die so alt ist, dass sie Eriks Mutter sein könnte, die sich aber trotzdem einlässt auf die körperliche Anziehung zwischen den beiden. Um Rainer Feldberg, der auf der Insel Unruhe stiftet und den Inez aus einer lang vergangenen Zeit kennt – einer Zeit, in der die DDR noch bestand. Und um Felix Ton, der die Verbindung darstellt zwischen all den anderen Figuren.

Hat’s gemundet?

Schwer zu sagen. Dieses Buch ist sehr poetisch, sprachlich anspruchsvoll, inhaltlich interessant – und hinterlässt bei mir einen sehr üblen Nachgeschmack. Allerdings kann ich nicht verraten, warum, ohne zu spoilern. Nur so viel: Ich bin offenbar nicht freigeistig genug, um eine bestimmte Wendung in der Geschichte nicht als widernatürlich zu empfinden, und das Verhalten der Protagonisten übersteigt in diesem Punkt mein Verständnis. Schlimmer ist noch, dass dies mir das gesamte Buch vergällt, obwohl es mir zu Beginn eigentlich ausgezeichnet gefallen hat. Ich habe aber auch ein Problem mit allzu absurden „Zufällen“ in Romanen, die mir, da sie ja konstruiert sind, nicht als Zufälle eingehen wollen. Von diesem Buch bin ich abgestoßen und angeekelt, muss aber zugeben, dass es trotzdem sehr gut ist.

Wer soll’s lesen?
Wer sich traut.

Gut und sättigend: 3 Sterne, Snacks für zwischendurch

WnukSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Ich-Erzähler Josch ist ein echter Loser. Als Schwimmmeister verbringt er seine Tage inmitten von halbnackten Menschen, feuchter Luft und Fußpilz. Seinen Sohn, der in Frankreich lebt, hat er seit Jahren nicht gesehen, Freunde hat er keine, die Liebe fehlt in seinem Leben ebenfalls. Als die 14-jährige Leonie, die ihn angehimmelt hat, ertrinkt – woran Josch nur indirekt Schuld trägt –, packt er seine Sachen und flüchtet. Maria, eine junge blinde Frau, die er kaum kennt, hängt sich ihm an und begleitet ihn auf seinem kuriosen Roadtrip. Das Ziel ist natürlich Frankreich, wo Josch sich bei einem Treffen mit seinem Sohn, der davon noch gar nichts weiß, eine gar zauberhafte Lösung für all seine Probleme erhofft. Dabei sollte er doch wissen, dass das Leben nie so einfach ist.

Hat’s gemundet?
Ich bin mir nicht sicher. Die Ausgangsidee gefällt mir, und ich mag die Figur der blinden, lebensfrohen Maria, wobei ich sie aber auch ein wenig überzeichnet finde. Mit Josch habe ich Schwierigkeiten, er geht mir mit seinem weinerlichen Ton bald auf die Nerven. Die Dialoge sind oft halbgare Aneinanderreihungen von Küchenphilosophie-Sprüchen über die Suche nach dem Glück: Jeder hat sein Leben selbst in der Hand, Glücklichsein ist eine Entscheidung und dergleichen. Oliver Wnuk, der als Schauspieler bekannt ist, hat es gut gemeint, vielleicht ein wenig zu gut. Ein bisschen mehr Sarkasmus und Abgeklärtheit hätten dem Roman in meinen Augen nicht geschadet. Die Geschichte wirkt stellenweise steif und gewollt. Sie ist aber gut zu lesen und dank der leicht angeknacksten, liebenswerten Protagonisten durchaus unterhaltsam.

Wer soll’s lesen?
Wer Lust auf einen eher leichten Snack mit einem Hauch Tiefgang hat.

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

CalletSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Ein Mädchen, das sich später Lila K nennen wird, findet sich in nicht allzu ferner Zukunft in einer Art Waisenhaus wieder. Es hat keinen Vater und wurde der Mutter weggenommen, an die es unablässig denkt und von der es nicht einmal den Namen erfährt. Lila ist klug und seltsam, erträgt keine Berührungen und kein Licht, wäre am liebsten allein, muss sich aber sozial zeigen und integrieren, um jemals wieder frei sein zu dürfen. Der Mensch in dieser nicht näher bestimmten Zukunft ist überaus gläsern, er wird ununterbrochen von Kameras beobachtet, seine Fäkalien werden von der Kloschüssel analysiert, und ob er Kinder bekommen darf, entscheidet er nicht selbst. Nicht so streng sind die Regeln draußen in der „Zone“, wo Gewalt, Armut und Zügellosigkeit herrschen, wo es noch echte Bücher gibt und keine Videoaufzeichnung. Dort, so findet Lila nach jahrelanger, vorsichtiger, geheimer Recherche heraus, kommt sie her, dort muss ihre Mutter sein. Doch um sie zu finden, braucht Lila Hilfe – von Milo, einem undurchsichtigen, faszinierenden Mann, in den Lila sich, so sehr sie es zu verhindern versucht, verliebt.

Hat’s gemundet?
Dieses Buch schmeckt bitter. Denn auch wenn die Geschichte von Kindesmisshandlung, absoluter Kontrolle durch den Staat und purer Einsamkeit in einer reglementierten Gesellschaft so fremd und abwegig nicht scheint, ist sie doch so eindringlich erzählt, dass mir beim Lesen manchmal schlecht wird und ich mir wünsche, niemals könnte so etwas geschehen. Ich will all diese Bilder nicht sehen, ich will das Buch aber auch nicht weglegen. Wir haben eine Hassliebe, die mir unter den Nägeln brennt. Blandine le Callet schildert behutsam und klar ein fiktives Schicksal, das trotz der merkwürdigen, wie Sci-Fi anmutenden Umstände erschreckend real wirkt. Lila wächst mir ans Herz, weil sie so allein und so trotzig ist, und ich folge ihrer Erzählung ganz atemlos – so, wie ich es mir wünsche bei einem Roman. Spannend, klug, bewegend und extrem verstörend. Ein Buch, das einen noch lange verfolgt.

Wer soll’s lesen?
Uneingeschränkte Leseempfehlung.

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

PackerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Carrie und Mike sind eines jener Pärchen, die zusammen sind, seit sie 16 waren und gemeinsam die Highschool besuchten. Für Mike ist die Sache klar: Er will mit Carrie zusammenziehen und sie heiraten. Carrie dagegen hat Zweifel. Kann das alles gewesen sein? Wird sie für immer in der Kleinstadt bleiben und in der Bibliothek arbeiten? Ihr Freiheitsdrang wächst, doch sie bringt es nicht übers Herz, Mike zu verlassen. Dann ändert ein Unfall alles: Bei einem Sprung in zu seichtes Wasser bricht Mike sich das Genick und ist fortan vom Hals abwärts gelähmt. Nun stellt sich für Carrie die Frage, ob sie aus Loyalität an Mikes Seite bleiben soll, obwohl sie ihn nicht mehr liebt, oder ob sie rücksichtslos sein und ihr eigenes Glück suchen darf.

Hat’s gemundet?
Absolut! The dive from Clausen’s Pier habe ich über einen Tipp in der New York Times entdeckt – und war schwer beeindruckt von der klugen, fesselnden, nachdenklich stimmenden Geschichte über ein tragisches Geschehnis, das alles auf den Kopf stellt, über die Erwartungen der anderen und über das Bedürfnis, egoistisch zu sein. Die Ausgangssituation bietet viel Stoff für Konflikte und moralische Pattsituationen, und Ann Packer hat dies glänzend umgesetzt. Ihre Protagonistin beschäftigt mich mit ihren Gedanken, Gefühlen, Entscheidungen und Aussichten so sehr, dass ich ständig an das Buch denken muss und es, wenn mir die Zeit zum Lesen fehlt, vermisse. Die Figuren im Buch sind sehr jung und verfügen über wenig Lebenserfahrung, doch das, was sie umtreibt, ist gültig für alle Altersklassen, denn es ist zutiefst menschlich. Zwar bin ich mit dem Ende nicht unbedingt einverstanden, doch insgesamt ist dies ein faszinierender, intelligenter Roman über Verpflichtungen und Schuld, über die Halbwertszeit der Liebe und die Fähigkeit zu verzeihen. Und sprachlich ist er wundervoll.


Wer soll’s lesen?

Alle, unbedingt!

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

FrischmuthSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um Ada, eine junge Künstlerin, die in Istanbul geboren und an einem österreichischen See aufgewachsen ist, die auf ihren großen Durchbruch hofft und ihre Jugendliebe Jonas wiedertrifft sowie dessen drei Kinder. Um Olli, Adas Zwillingsbruder, der homosexuell ist und eine Galerie führt. Um Martha, die Mutter der Zwillinge, die ihre große Liebe Robin in Istanbul unter mysteriösen Umständen verloren hat. Und um Lilofee, Marthas Tante, die ihnen das Seehaus vererbt hat und die ihr Leben lang um jenen Mann trauerte, den die grausigen Umstände des Krieges ihr geraubt haben. „Wir alle werden vom Schacht der Zeit verschluckt, unsere Lebensgeschichten, unsere Schicksale, unsere Erinnerungen zerfallen in Daten und in Vergessen, nur das wenigste wird zu Geschichte verarbeitet – und wenn, dann anonym – oder zu großen Erzählungen recycelt.“ Dies ist eine dieser großen Erzählungen.

Hat’s gemundet?
Sehr. Barbara Frischmuth hat einen hervorragenden, schlichten, sehr schönen Roman geschrieben über die Liebe und den Tod, das Älterwerden und Vergessen, über den Krieg und das Schweigen darüber und über all die Kleinigkeiten, die das Leben ausmachen. Drei Frauen stehen im Mittelpunkt, Lilofee, Martha und Ada, wobei Lilofee keine eigene Stimme bekommt und ihre Geschichte anhand der überaus authentischen und amüsanten Dorftratschereien erzählt wird. Ich fühle mich aufgehoben in der Romankulisse, die so sehr meiner eigenen Umgebung ähnelt, und in der österreichischen Sprache, die in ganz feinen Nuancen den Schrecken, die Giftigkeit und die Gehässigkeit transportiert, die mit den Erinnerungen an die Nazizeit einhergehen. Am meisten fiebere ich mit Ada mit, die so wunderbar hilflos ist in ihrer Verliebtheit, und auch die Erinnerungen von Martha an ihren Mann sind sehr detailliert und liebevoll geschrieben. Barbara Frischmuth ist eine erfahrene Schriftstellerin, die weiß, was sie tut – und mich damit absolut begeistert hat.

Wer soll’s lesen?
Alle, die gute Literatur schätzen.