High Five

DSC_0178Wenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann wäre dieser Roman stellenweise schrecklich öd und an anderen Stellen so chaotisch, dass keiner mehr mitkommen würde. Schreiben heißt daher für mich an manchen Stellen untertreiben und an anderen übertreiben – und ich brauche immer viele Post-its, um meine chaotischen Gedanken und Einfälle zu ordnen.

Ich ordne meine Bücher nach Platz! Recherchematerial auf Augenhöhe, schwere Chroniken ganz unten, gelesene Romane hoch oben und aktuelle Bücher im Bett. In meiner Wohnung ist nicht sehr viel Platz, weshalb ich seit 20 Jahren Besitzerin einer Bibliothekskarte bin. Gute Freunde lassen dich nicht im Stich, auch wenn sie nicht alle bei dir wohnen. Manche Bücher sind mehrere Male für ein paar Wochen zu Gast, manche nur einmal, die meisten Gäste dürfen aber im Bett übernachten.

Das Cover meines aktuellen Buchs hat keine Männchen, sondern Kreise am Cover. Und ich habe diesmal keine Schockzigarette gebraucht! Wenn du mit einem nostalgischem Fotocover rechnest und stattdessen Strichmännchen auf den Roman bekommst, schnellt erst einmal dein Puls in die Höhe. Aber das war im Frühjahr 2013. Mittlerweile liebe ich die bunten Figuren heiß und als man bei „Die Schmetterlingsfängerin“ überlegt hat, ein Schwarzweißfoto einzubauen, habe ich sogar heftigst protestiert. Das aktuelle Cover war dann Liebe auf den ersten Blick.

Viel zu selten verwendet wird das Wort verschellen. Denn wenn jemand verschollen sein kann, dann befindet er sich doch irgendwann im Prozess des Verschellens, oder? Peter Heissenberger, einer meiner GRAUKO-Kollegen, hat dazu einen wunderbar witzigen Text geschrieben. Wenn man mich seitdem nach einem seltenen Wort fragt, fällt mir automatisch eines ein, das es nie geben können wird: Denn in dem Moment, wo jemand um das Verschellen einer Person weiß, kann sie schon nicht mehr verschollen sein.

Das Buch meines Lebens ist seit ein paar Jahren immer das, an dem ich gerade arbeite. Da kann es schon mal passieren, dass ich beim Spazierengehen mit meinen Protagonisten plaudere oder sogar in ihre Heimat reise, um ihr Haus zu entdecken und ihre Nachbarn kennen zu lernen. Ich schlüpfe in die Leben, die ich mir ausdenke und manchmal steck ich dort ein bisschen zu sehr fest – das ist dann die Zeit, in der mich meine Freunde als „geistesabwesend“ bezeichnen. Es gab jedoch ein Buch, das habe ich so oft gelesen wie keines, und das bestimmt in nur zwei Jahren. Es hieß „Pony, das kleine Pferd“, das las ich bestimmt mindestens zehnmal. Allerdings hasste ich die Kapitel in der Stadt. Ich mochte das Pony, ich mochte den Bauer Michel, aber die Stadt ließ ich ab dem zweiten Mal Lesen immer aus. Und jetzt, da ich davon schreibe, wird mir erst bewusst, dass ich schon als Kind nicht in einer Stadt leben wollte. Mittlerweile habe ich Wien den Rücken gekehrt und wohne in Graz, auch eine Großstadt laut Wikipedia, aber nicht ganz so hektisch, wenn auch nicht ganz so ruhig wie beim Bauer Michel. (Und wenn man bedenkt, dass Wien für Joe eine Mittelstadt ist, dann ist Graz sowieso ein Dorf.)

mkMargarita Kinstner, 1976 in Wien geboren, ist Mitglied des Grazer Autorinnen- und Autorenkollektivs GRAUKO und hat ein Kindermagazin gegründet. 2013 erschien ihr Debütroman Mittelstadtrauschen, 2015 ihr zweites Buch Die Schmetterlingsfängerin im Deuticke-Verlag. Foto von Isolde Kerstin Bermann.

High Five

imagesWenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann würde ich mich ein Leben lang umschreiben; nur singen könnte ich in allen Versionen.

Ich ordne meine Bücher danach, ob sie sich was zu sagen haben.

Das Cover meines aktuellen Buchs hat meine Lektorin im Morgengrauen gefunden. Mich hat die Mischung aus Hingabe und Hinterrücks sofort verführt.

Viel zu selten verwendet wird das Wort Kanteki kanteki. So hieß ein Kapitel meines Romans „Durch den Wind“. Ich dachte, das wäre japanisch für „Der Wechsel der Jahreszeiten“. Kurz vor Drucklegung stellte sich heraus: Das Wort gibt es nicht, auch nicht zweimal hintereinander.

Das Buch meines Lebens werde ich nie schreiben und trotzdem weiter davon ausgehen.

Reich2Annika Reich, 1973 in München geboren, hat bereits fünf Bücher veröffentlicht, darunter 34 Meter über dem Meer sowie aktuell Die Nächte auf ihrer Seite. Sie ist Mitarbeiterin der Malerin Katharina Grosse und lehrt an verschiedenen Akademien sowie Hochschulen, außerdem gehört sie zum Team des ZEIT-Blogs 10 nach 8.

High Five

imageWenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann wäre ich am liebsten King Kong aus „King Kong – das Buch zum Film“. Nein, im Ernst: Ich mag zum Beispiel Nebenfiguren, die nur einen oder zwei Auftritte haben, aber damit einen starken Eindruck hinterlassen und einer Geschichte eine ganz neue Richtung geben können. So eine wär ich gern.

Ich ordne meine Bücher in fünf Kategorien, die meine Lektürepräferenzen spiegeln. Kategorie A umfasst Autoren, die belletristisch schreiben, noch leben, deutschsprachig sind und die ich persönlich kenne. Kategorie B erfüllt nur die ersten drei Kriterien, Kategorie C nur die ersten zwei und Kategorie D nur das erste Kriterium (das sind demnach vor allem Klassiker). In Kategorie E ist, was übrig bleibt (hauptsächlich Sach- und Fachliteratur). Ich lese jeweils abwechselnd aus jeder Kategorie ein Buch.

Das Cover meines aktuellen Buchs zeigt viel mehr als nur einen Wald, aber viele sehen das erst auf den zweiten Blick. Mit ähnlichen Überraschungen spielt der Roman.

Viel zu selten verwendet wird das Wort … Es fällt mir schwer, diesen Satz abzuschließen, weil er ein Verständnis von Sprache voraussetzt, das ich nicht teile; nämlich, dass Sprache etwas ist, was gepflegt und gesteuert werden sollte, oder sogar eine Sache, der man Gutes oder Schlechtes tun kann. Daran glaube ich nicht. Sprache ist, was sie ist, sie kommt gut allein zurecht und muss nicht in eine bestimmte Richtung geführt werden. Einige Wörter oder Regeln verschwinden, dafür kommen neue hinzu. Dieser Wandel ist hochspannend, und ihn einfach zu beobachten, lohnt sich mehr, als ihn werten zu wollen. Natürlich gibt es trotzdem Wörter, die ich mag. „Wankelmut“ wär so eines.

Das Buch meines Lebens ist ein zerfleddertes Vornamenbuch, das mich schon seit der Kindheit bei der Namensgebung meiner Figuren unterstützt.

IMG_8607Giuliano Musio, 1977 in der Nähe von Bern geboren, wurde schon früh mit Preisen für seine Texte bedacht. 2015 hat er seinen ersten Roman Scheinwerfen im Luftschacht Verlag veröffentlicht (ISBN 978-3-902844-51-4, 404 Seiten, 25,20 Euro). Foto von Affolter/Savolainen.

High Five

IMAG1045Wenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann Blanca aus Das Geisterhaus. Immer wenn ich dieses Buch lese, bin ich berauscht von der Sprache, in jedem Satz steckt so viel Leben, so viel Kraft. Und all das steckt auch in Blanca, sie ist eine Kämpfernatur und das bewundere ich. An manchen Tagen steckt viel Blanca in mir, an anderen weniger.

Ich ordne meine Bücher nicht, ich verteile sie überall in meiner Wohnung, neben meinem Nachtschrank, unterm TV-Tisch. Und ohne Buch gehe ich nicht aus dem Haus, schon gar nicht im Urlaub.

Das Cover meines aktuellen Buches ist rätselhaft, mysteriös. Warum hält die Braut ein Messer? Ich weiß es nicht! Oder doch? Immerhin habe ich Erfahrung mit türkischen Schwiegermüttern 🙂 Spaß beiseite, die Braut steht für das Gute, aber das Messer ist ein Symbol für die Kehrseite der Medaille, denn der Teufel steckt im Detail. Das Messer steht für das Böse, die dunkle Seite.

Viel zu selten verwendet wird das Wort Liebe. Und Seele. Dankbarkeit. Ich höre selten, dass jemand sagt, er oder sie wäre dankbar für etwas. Sehr schade, oder?

Das Buch meines Lebens ist nicht mein erstes Buch Rache auf Türkisch sondern Tränen sind immer das Ende von Akif Pirincci. Ich wollte, seit ich denken kann, schreiben, aber ich hatte meinen Stil nicht gefunden. Worüber sollte ich schreiben? Welche Worte sollte ich benutzen? Die Worte wirbelten in mir, aber erst nachdem ich Akifs Buch gelesen hatte, begriff ich das wesentliche: Schreibe über das, was du fühlst, was du erlebt hast. Ich vergaß alle Regeln, alle Raster und Vergleiche mit anderen Autoren, von da an schrieb ich mir, auf gut Deutsch gesagt, meine Texte von der Seele.

IMG_8476Askim Utkuseven, geboren in Istanbul, lebt seit 1972 in Deutschland und arbeitet als Erzieherin. Ihr erstes Buch Rache auf Türkisch ist eine Sammlung amüsanter Kurzgeschichten, die mit türkisch-deutschen Klischees spielen (ISBN 978-3-86327-025-4, 160 Seiten, 15,90 Euro).

 

High Five

dsc-0169-kopie-514c456082d0dd4a13266436fef270c8Wenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann würde man mich schnell langweilig finden.

Ich ordne meine Bücher nach dem Zeitpunkt ihrer Anschaffung. Letzte Woche habe ich ein neues Regal angebracht (ich bin ein Heimwerkertalent, ähäm), darauf stehen: Meg Wollitzer, Jan Brandt, Kristine Bilkau, Inger-Maria Mahlke und mein Buch, aber nur für das gute Gefühl.

Das Cover meines aktuellen Buchs finde ich großartig. Als ich die Mail mit der Cover-PDF bekommen habe, habe ich die Daumen gedrückt (aus Angst vor einem miesen Cover). Als ich es dann sah, dachte ich sofort: Ja, ein Boot, Enkel, Großvater, viel Grau, irgendwie: ja!

Viel zu selten verwendet wird das Wort Jügler.

Das Buch meines Lebens muss sehr ruhig sein, anschmiegsam wie eine Katze, aber auch genauso widerspenstig.

JüglerMatthias Jügler, 1984 geboren, lebt in Leipzig. Er hat am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert und seinen Debütroman Raubfischen bei Blumenbar veröffentlicht (ISBN 978-3-351-05014-6, 224 Seiten, 16 Euro). Foto von Thomas Nauhaus.

High Five

2013 04 09 jürgen 044Wenn ich eine Figur aus einem Roman wäre, dann wäre der Roman wahrscheinlich kein großer Verkaufserfolg. Deshalb lässt meine Autobiographie auch noch auf sich warten.

Ich ordne meine Bücher viel zu selten. Für ein ausgeklügeltes System fehlt mir leider die Konsequenz. Ich schenke Bücher auch gerne her, verkaufe sie weiter – da kommt sowieso alles durcheinander. Ein eigenes Regal hat nur meine Sammlung von Theater-Literatur.

Das Cover meines aktuellen Buchs ist eine Gemeinschaftsproduktion von meinem Verleger und mir. Ich bin sehr stolz darauf: Das in die Luft geworfene Kind symbolisiert alles, worum es auch im Roman geht: Elternschaft, die Suche nach Freiheit, aber auch die Angst, nicht aufgefangen zu werden.

Viel zu selten verwendet wird das Wort erinnerlich, wie in: „Es ist mir nicht erinnerlich.“ Man kommt sich sofort vor wie in einem Roman von Joseph Roth – oder wahlweise „Downton Abbey“ –, wenn man es verwendet. Auch gut: Näkubi. Was das heißt? „Nächster Kunde, bitte!“ Bezeichnung für den Trennstab bei Supermarktkassen. Ich arbeite seit Jahren an der Durchsetzung des Kürzels.

Das Buch meines Lebens ist „Das Kleine Ich bin Ich“ – niemand schafft es wie Mira Lobe und Susi Weigel, in einem sehr kurzen Kinderbuch die Verzweiflung und Traurigkeit einer Identitätssuche darzustellen. Aber auch die Freude – und Verantwortung –, wenn man es schließlich schafft, sich von vorgegebenen Bildern zu befreien.

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Jürgen Bauer, 1981 geboren, lebt in Wien und arbeitet am Theater sowie als Schriftsteller und Journalist. Nach seinem ersten Roman Das Fenster zur Welt ist sein zweites Buch Was wir fürchten ebenfalls im Septime Verlag erschienen (ISBN 978-3-902711-38-0, 264 Seiten, 21,90 Euro).

Bücherwurmloch, High Five

Screen Shot 2013-09-13 at 9.48.41 PMEin Autor, fünf Gedanken
So lautet das sehr simple Konzept der neuen Interviewreihe High Five hier im Bücherwurmloch. Die Idee dazu spukte mir schon letztes Jahr im Kopf herum, doch Sophie von Literaturen ist mir mit ihrem wunderbaren „Bitte übernehmen Sie“ zuvorgekommen, und das wollte ich dann nicht sozusagen kopieren. Obwohl ich es selbst am liebsten lese. Deshalb habe ich mich für die Rubrik Lieblingsfutter auf die Lieblingsbücher verschiedenster Menschen konzentriert, doch mit dem Absturz meines Laptops ging Ende 2014 das gesamte Material dafür verloren. Nun ist es aber immer noch so, dass ich sehr gern Autoren prominenter auf meinem Blog zeigen möchte und dass nach es hier nach wie vor zu wenig menschelt. Klassische Interviews finde ich aber eher langweilig und lese sie auch selbst kaum. Daher bin ich wieder zur Short-questions-Idee zurückgekehrt, habe mir das Okay von Sophie geholt und werde in Zukunft den einen oder anderen Schriftsteller, von dem ich ein Buch rezensiert habe, bitten, fünf Satzanfänge zu vervollständigen. Das Ergebnis könnt ihr dann hier im Bücherwurmloch lesen. Und hoffentlich für gut befinden!