Bücherwurmloch

14523272_1342675139083457_197248595740756655_nWir suchen DAS Buchtalent 2017: Der Gewinner bekommt einen Vertrag mit Klett-Cotta
Supertalent, Supermodel, Supersänger: Das gab’s ja alles schon. Aber dieses Mal geht’s um eine gute Schreibe: Wir suchen das Superbuch! 16 Literaturblogger, die Literaturagentur Elisabeth Ruge, der Verlag Klett-Cotta, die Frankfurter Buchmesse und der bekannte ARD-Literaturkritiker Denis Scheck finden die literarische Entdeckung und den Debütroman des Jahres. Das Ganze nennt sich Blogbuster – Preis der Literaturblogger und ist die Chance für alle, die ein Romanmanuskript in der Schublade haben, aber noch keinen Verlag. Der Gewinner bekommt einen Agentur- und Verlagsvertrag und wird bereits im nächsten Jahr auf der Frankfurter Buchmesse seinen Roman vorstellen können.

Um an dem Wettbewerb teilzunehmen, müssen sich die Autoren bei einem der beteiligten Literaturblogs bewerben. Erst wenn der Blogger vom literarischen Potenzial des Autors überzeugt ist, wird das Manuskript der Fachjury vorgestellt. Neben dem Jury-Voritzenden Denis Scheck entscheiden Elisabeth Ruge, Klett-Cotta Verleger Tom Kraushaar, Lars Birken-Bertsch von der Frankfurter Buchmesse und der Blogger und Initiator der Aktion, Tobias Nazemi, über den Blogbuster-Gewinner. Der Wettbewerb startet am 21. 10. mit einer Auftaktveranstaltung im Orbanism-Space auf der Frankfurter Buchmesse. Die Preisverleihung findet Anfang Mai 2017 im Literaturhaus Hamburg statt.

Weitere Informationen sowie eine Liste mit allen Bloggern, bei denen ihr euch bewerben könnt, findet ihr hier. Wir sind gespannt auf eure Manuskripte und freuen uns schon!

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IMG_9488Aller guten Dinge sind drei, und dann ist auch mal wieder Schluss: Hier folgt der dritte und letzte (g)rantige Draufdrescher auf folgende Bücher, die mir das Leben schwergemacht haben.

Ulla-Lena Lundberg: Eis
Wenn ihr dieses Buch irgendwo seht, macht einen großen Bogen drumherum! Verlasst die Buchhandlung, am besten die Straße, die Stadt! Legt vorher noch andere Bücher drauf, damit bloß niemand es sieht und kauft. Was hab ich mich damit gequält. Ich hab ein großes Faible für das Nördliche und war sehr gespannt auf diesen vielgepriesenen Romane, der auf einer kleinen Inselgruppe zwischen Finnland und Schweden spielt. Ein Pfarrer kommt in die dortige abgelegene Gemeinde, mit Frau und Tochter. Das war’s eigentlich auch schon, Handlung gibt es auf den 500 Seiten so gut wie keine. Dafür aber viel Blabla. In einem ausufernden, aufgeblasenen und überkandidelten Stil erzählt Ulla-Lena Lundberg von jeder noch so kleinen Gefühlsregung ihrer Figuren, von jedem Rülpser, jedem Gedanken, jedem Pups, und vor allem vom Arbeitseifer, der so groß ist, dass er auf jeder Seite, wirklich jeder einzelnen Seite erwähnt werden muss, von den Kirchenpredigten und tausend anderen uninteressanten Sachen. Es ist so, so, so langweilig. Wie eine besserwisserische Lehrerin präsentiert die Autorin die kleinen menschlichen Fehler ihrer Charaktere, tätschelt ihnen den Kopf, schreibt pathetisch und ohne jeden Pfiff. Sie verwendet viel zu viele Worte, um am Ende überhaupt nichts zu erzählen. Ich habe selten so ein schlechtes Buch gelesen.

Riikka Pulkkinen: Die Ruhelose
Auch mit der Finnin Riikka Pulkkinen hatte ich dieses Mal kein Glück. Die Autorin, die von den meisten Buchstaben ihres Namens gleich zwei hat, weiß sich auch stilistisch nicht zurückzuhalten. Mit Sicherheit kennt ihr das, wenn über ein Buch gesagt wird: „Da ist kein Wort zu viel.“ Nun, in diesem hier sind allerhand Wörter zu viel. Schon auf den ersten Seiten finde ich die Wucht der Bilder zu heftig, zu dicht, zu viel, zu überladen. Pulkkinen lässt überhaupt keinen Raum für meine eigene Fantasie. Das wundert mich, denn ihren Roman Wahr fand ich 2012 herausragend, es war sogar das beste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Ähnlich hohe Qualität hab ich mir von Die Ruhelose erhofft, ihrem Debüt, aber nun ja, sie scheint erst später gut geworden zu sein. Hier schreibt sie über eine Frau, die ihren Mann an die Demenz verliert, sowie über deren Nichte, die sich in ihren Lehrer verliebt. Der Teenager, der sich ritzt, der Ehemann, der geil auf eine Minderjährige ist – das ist einem ja auch alles irgendwo schon mehrfach in der Literatur begegnet. Und war dort vermutlich besser beschrieben.

Ben Dolnick: At the bottom of everything
Adam und Thomas waren einst beste Freunde, bis sie in jugendlichem Leichtsinn einen Unfall verschuldet haben. Seither laborieren sie am schlechten Gewissen und haben längst keinen Kontakt mehr, als Thomas’ Eltern Adam anflehen, ihren Sohn zu suchen. Der wandert irgendwo in Indien herum, und Adam ist das scheißegal, aber er fühlt sich verpflichtet. Joah, so geht’s mir auch irgendwie, weshalb ich dieses Buch bis zum Ende (quer)lese, obwohl es fad, unglaubwürdig und überraschend sinnbefreit ist. Bei der New York Times, wo Ben Dolnick recht gehypet wird, scheint man eine Vorliebe für Wirres und Undurchdachtes zu haben – wie als Metapher für das ach so komplizierte Leben. Bullshit zwischen Buchdeckeln.

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FullSizeRenderLetzte Woche hab ich euch ja schon mein Leid geklagt: Insgesamt ELF (!) schlechte Bücher sind mir nacheinander vors Auge gelaufen, wobei ich eins davon schon nach wenigen Seiten abgebrochen und in die Ecke gepfeffert habe. Wer nun Part I dieses Rants gelesen hat und außerdem herausragend gut rechnen kann, der weiß: Da fehlt ja noch was. In der Tat. Und deswegen geht’s heute weiter mit Marikis Motzparade.

Claire Messud: The Woman Upstairs
Mit der titelgebenden Frau ist eine spinnerte, einsame Alte gemeint, die ein Dutzend Katzen hat und kannenweise Tee trinkt, die unverheiratet ist und allein, in deren Leben es keine große Liebe gab. Protagonistin Nora ist auf dem besten Weg, eine solche Frau zu werden. Sie unterreichtet Kinder, hat aber selbst keine. Sie wollte Künstlerin werden, bastelt aber nur in ihrer Wohnung an kleinen Boxen, die niemand je zu Gesicht bekommt. Und sie ist so, so wütend. Als sie die Shahids kennenlernt – Sirena und Skandar und Reza –, stürzt sie sich mit der Verzweiflung der Alleinstehenden in eine Beziehung zu jedem Einzelnen von ihnen. Die Story ist so originell, wie sie klingt – aber auch nicht mehr. Die Idee versandet komplett, das Buch hat null Drive und ist eine einzige Selbstbespiegelung der Hauptfigur. Lähmende Langeweile macht sich schnell in mir breit, und während Nora auf eine große Enttäuschung zusteuert, geht es mir genauso. Letztlich bleibt der Roman fad und bedeutungslos. Könnte man einer Woman Upstairs zum Lesen geben, deren Leben ist eh eintönig!

Claire Vaye Watkins: Geister, Cowboys
Kennt ihr das, wenn ihr bei der Lektüre eines Buchs denkt: Das loben jetzt auch nur alle, weil es keiner versteht? Unverständlichkeit ist jedoch – gemäß Reich-Ranicki – noch kein Beweis für tiefe Gedanken und auch kein Zeichen für literarische Qualität. Sie liegt mit Sicherheit auch im Auge des Lesers. Mein Auge sagte bei diesem Buch jedenfalls recht oft: Hä? Und dann: DAS NERVT. So viel hab ich mir erwartet von Claire Vaye Watkins, die als „eine der aufregendsten neuen Stimmen der US-Literatur“ bezeichnet wird, und nichts davon hab ich bekommen. Als Tochter eines der Mitverrückten von Charles Manson hätte sie die spektakulären Ereignisse um ihren Vater gar nicht langweiliger literarisch verarbeiten können. Die Geschichten sind nicht wirklich verknappt, eher künstlich beschnitten, als habe die Autorin sich überlegt, was sie alles wegnehmen könnte, um die Storys bestmöglich zu verunstalten und nur die sinnlosen Teile stehen zu lassen. Vielleicht hat sie gedacht, das wirke besonders intellektuell und klug. Und sie muss zu dem Schluss gekommen sein, dass es ein möglichst abruptes, unerklärliches Ende geben muss. Da hab ich mir gedacht: Das kann ich auch. Und hab abrupt aufgehört zu lesen.

Lauren Groff: Arcadia
Das hätte ein richtig gutes Buch sein können! Wie traurig, wenn man all die glänzenden Möglichkeiten sieht und nur ein Häufchen Asche in den Händen hält. Wie bei Claire Vaye Watkins gab’s auch hier viel Lob, Übersetzungen auf Deutsch, zweite Romane, die heuer erscheinen, und dann DAS. Gnaaah. Erneut klingt die Idee an sich interessant: Bit wächst in den 1970er-Jahren in einer Art Hippie-Kommune auf, in einem verfallenen Haus namens Arcadia, in dem sich bisweilen Hunderte Anhänger um Guru Handy scharen, er und seine Eltern gehören zur Stammgruppe. Eine unkonventionelle Kindheit, ein recht flüssiger Schreibstil – aber blasse Figuren, elendslanges Gelaber, klaffende Lücken in der Stringenz, alles in allem ein einziger Graus. Bit verliebt sich später in Handys Tochter Helle, eine tragische Figur, deren Tragik überhaupt nicht ausgearbeitet und dadurch auch nicht verständlich wird, und das Ende des Buchs ist – ohne zu spoilern – wohl mysteriös gemeint, im Endeffekt aber einfach nur unausgegoren und feige. Die großen Zeitsprünge machen das Ganze auch nicht besser. Trotz der wilden Aussteigerkulisse und der eigenartig bedrohlichen Atmosphäre ein flacher, verflucht blöder Roman.

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Rant1Ich hatte da einen Lauf. Und zwar im negativen Sinne: In letzter Zeit hab ich sehr viele schlechte Bücher gelesen, viele davon direkt hintereinander, was noch schlimmer ist, denn da sinkt meine literarische Laune auf den Nullpunkt, und ich werde richtig grantig. Diesen Grant, meine Damen und Herren, merkt man auch meinen Bemerkungen über die folgenden Bücher an:

Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt
Es gibt ein Patentrezept in der deutschen Literatur: Wandere nach Deutschland ein – am besten aus einem Land, in dem Krieg herrscht –, lerne die Sprache, schreibe einen Roman in dieser neuen Sprache über Traumata und Verlorensein und Integration, und sie werden dich lieben. Das Feuilleton wird dich abschlecken vor Begeisterung, man wird dich mit Preisen überhäufen. Absolviere zusätzlich das Literaturinstitut Leipzig, und du hast den Jackpot geknackt. Sie werden dich nicht ignorieren können. Nicht mal, wenn dein Buch total scheiße ist. Olga Grjasnowa hat sich an dieses Erfolgsrezept gehalten. Migrationshintergrund: Check. Sogar in Aserbaidschan geboren, Pluspunkt, weil selten. Trauma: Check. Sprache spät gelernt: Check. Literaturinstitut: Check. Haufenweise Preise: Check. Beschissenes Buch: Check. Worum geht es darin? Um das Zelebrieren der Verlorenheit. Damit Protagonistin Mascha so verloren wie möglich ist, muss ihr Freund weg, und der stirbt einen so lächerlich dummen Tod, dass es fast wehtut. Mascha also allein, fremd, traurig, sehr orientierungslos, sehr verloren. Mäandert im eigenen Leben herum, findet keinen Halt, jongliert mit Sprachen, weil entwurzelt, geht nach Israel, weil Konfliktpotenzial für den Roman. Der ist insgesamt so flach und sinnlos, blutleer und verkrampft, dass ihm in meinen Augen auch das vermeintliche Patentrezept nicht mehr hilft.

Charlie Lovett: Das Buch der Fälscher
Wer war William Shakespeare wirklich? Darüber streiten die Experten seit Jahrhunderten. Der Antiquar und Buchbinder Peter Byerly könnte einen echten Beweis gefunden haben: ein Buch mit Randnotizen in Shakespeares Handschrift. Die Frage ist nur: Ist es echt oder gefälscht? Die Suche nach der Antwort lenkt Peter immerhin von seinem großen Kummer ab, denn seine Frau Amanda ist gestorben. So weit, so gut – doch das Buch ist leider schlecht. Weil Charlie Lovett so aufregend schreibt, wie ein Nachrichtensprecher die Wettervorhersagen verliest. Der Roman ist lahmarschig, stinklangweilig und unfassbar uninteressant – und das, obwohl die historischen Ereignisse rund um Shakespare, ein grausamer Mord und die Spurensuche in einer Gruft durchaus Stoff für eine spannende Story geben würden. Allein: Man muss verstehen, sie auch gut zu erzählen. Bei dieser Ödnis von einem Buch ist das leider nicht geglückt, nicht mal im Ansatz.

Fiona McFarlane: Nachts, wenn der Tiger kommt
Dieses Buch ist wie eine unruhige Nacht: Ich bin immer wieder eingedöst, kann mich an nichts Zusammenhängendes erinnern und hatte am Ende einen schalen Geschmack im Mund. Der kam von der Enttäuschung. Dabei hat es bei seinem Erscheinen 2014 für Aufsehen gesorgt und versprach eine fesselnde Geschichte: Die alte Ruth bekommt eine vom Staat geschickte Helferin namens Fiona ins Haus, die sie nach und nach entmündigt. Ruth kann bald nicht mehr zwischen Wahrheit und Einbildung unterscheiden und verliert zusehends die Kontrolle. Aber das geschieht nur im Kleinen, und Leute, es dauert eeewig. Es dauert doppelt so lange wie euer schlimmster Zahnarztbesuch ever. Der Roman ist so fad, dass ich beim Anblick all der Seiten, die noch vor mir liegen, regelmäßig in Verzweiflung gerate. Ich lese ihn deshalb nur quer – und finde es am Ende schrecklich, dass der Grund für Fionas Verhalten genau der ist, den man gleich zu Beginn vermutet. Nicht ein Funken Originalität in der Auflösung – erst auf den letzten zwei Seiten, die dafür so merkwürdig sind, dass ich sie nicht verstehe. Muss man erst mal schaffen, einen guten Plot so zu verkacken! Ein grausam schlechtes Buch, das niemandem wertvolle Lebenszeit stehlen sollte.

Bettina Balàka: Kassiopaia
Das soll ein Liebesgeschichterl sein, ein Frauenroman, aber auch eine Satire, eine Gesellschaftsstudie. Es ist alles zugleich und nix davon gescheit. Hauptperson Judit, Anfang 40, reich, diätbesessen, gelangweilt und furchtbar nervig, schreibt dumme Listen, hat dumme Freundinnen und verhält sich auch noch dumm: Sie jagt den Autor Markus Bachgraben, den sie in Venedig vermutet. Die zwei hatten eine Nacht, aber Judit will sich damit nicht zufriedengeben. Nun ja, sie arbeitet nicht, sie muss sich irgendwie beschäftigen und hat zudem ein Rad ab: Da kann man schon mal auf die Idee kommen, einen Kerl zu stalken, der nix von einem wissen will. Jetzt wäre die Story von Judit und Markus schnell erzählt, und deswegen ist das Buch vollgestopft mit kurzen Geschichten über völlig uninteressante Nebenfiguren, die jeweils nur einmal vorkommen. Das ist eh alles nett und österreichisch und mit Schmäh, aber wirklich nicht lesenswert. Am Ende gibt’s eine Du-bist-adoptiert-Auflösung wie in einer billigen Soap, und dass das Christkind nicht existiert, wird als größtes Trauma überhaupt festgelegt. Das zeigt, auf welchem Niveau dieses Buch sich bewegt.

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  1. Ich kann die Frage, #warumichlese – die in den letzten Wochen durch viele Blogs gegeistert ist – nicht beantworten. Ich lese. Punkt. Ich könnte was schwafeln von anderen Welten und Horizont erweitern, aber Fakt ist: Ich weiß nicht, warum ich lese. Ich denke nicht darüber nach. Es ist so, es war schon immer so, und es wird auch immer so sein. Mein Leben gibt es nicht ohne das Lesen.
  2. Ich besitze mehr Bücher als Schuhe.
  3. Ich besitze mehr Bücher als Klamotten.
  4. Ich besitze mehr Bücher als Make-up-Produkte.
  5. Wenn ich länger als einen Tag keine Zeit habe, um in meinem aktuellen Buch zu lesen, werde ich seltsam grantig und unrund. Wie ein Junkie, dem der Stoff fehlt. Bei mehr als drei Tagen werde ich schlicht unerträglich.
  6. Ich misstraue Menschen, die keine Bücher haben.
  7. Selbst wenn ich einen wahnsinnig anstrengenden Tag hatte, meine Augen brennen, mein Hirn voll ist und meine Batterien leer sind, greife ich noch zu einem Buch. Wenigstens für ein paar Minuten lesen. Das geschieht ganz automatisch.
  8. Eigentlich greife ich in jeder freien Minute zu einem Buch.
  9. Manchmal denke ich über ein Buch, das ich gerade lese, so intensiv nach, als seien die Figuren und Ereignisse real.
  10. Manchmal träume ich sogar von so einem Buch.
  11. Leute, die Astrid Lindgren, Otfried Preußler und John Irving nicht kennen, kann ich nicht ernstnehmen.
  12. Ich drehe meinen Kindern den Fernseher ab, um ihnen was vorzulesen.
  13. Wenn meine Kinder später mal zu Nichtlesern würden, müsste ich sie leider enterben.
  14. Ich denke manchmal, wenn meine Kinder später Bitte und Danke sagen und sich an Ronja Räubertochter erinnern können, dann hab ich wenigstens nicht alles falsch gemacht.
  15. Ja. Ich rieche an Büchern. Selten, aber doch. Die riechen aber eigentlich nicht so geil. Nach Papier halt, seien wir ehrlich.
  16. Ich hasse es, Bücher zu verleihen. Ich tue alles, um es zu vermeiden. Ich lüge sogar.
  17. Ich brauche Bücher. Ich will von Büchern umgeben sein.
  18. Wenn mein Mann Bücher aus dem Regal nimmt und achtlos auf den Boden legt, weil er sein Netzkabel einstecken will, sinniere ich über nicht nachweisbare Todesarten nach.
  19. Ich betreibe einen Literaturblog.
  20. Manchmal trifft mich ein Buch so sehr, als würde sein Autor meinen Brustkorb aufschneiden und direkt hineingreifen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Menschen gibt, die dieses Gefühl nicht kennen. Ich bin süchtig danach.
  21. Mit dem Geld, das ich in meinem Leben bereits in Bücher investiert habe, hätte ich sicher schon ein halbes Haus kaufen können.

Und wie ist das bei euch? Was macht euch zum Booknerd, welche eurer Eigenschaften können andere Menschen überhaupt nicht verstehen? Ich bin gespannt!

 

Bücherwurmloch

IMG_8771Vor einer Weile war ich im Vorsommerurlaub, und es war einfach herrlich: Strand, Sonne, Meer und Gelatooo. Gelesen hab ich auch, und zwar fünf Bücher, die in ihrer Taschenbuchausgabe schon lang auf meinem SuB darauf gewartet hatten, endlich ausgewählt zu werden. Einige kennt ihr vielleicht. Und ich warne euch gleich: Das wird jetzt eine ziemliche Motzerei, denn bis auf einen mochte ich eigentlich keinen der folgenden Romane.

Paula Hawkins: The girl on the train
Um dieses Buch gab’s ja einen ziemlichen Hype. Ganz ehrlich? Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da war ja Gone Girl noch besser! Die ersten 100 Seiten haben mich furchtbar gelangweilt und ich habe nur weitergelesen, weil ich a) im Urlaub war und nicht so viele Bücher mithatte und b) wissen wollte, was denn nun dran ist an dem Hype. Die trantütige Alkoholikerin Rachel ging mir wahnsinnig auf den Sack, sie ist selbstmitleidig und doof. In einer Nacht ist etwas geschehen, eine Frau ist verschwunden, aber sie war zu betrunken, um sich zu erinnern. Jö. Wie sie versucht, an Infos zu kommen, ist ebenso dämlich wie unglaubwürdig. Und keine Sekunde lang spannend. Ich seh’s mal wieder ein: Ich bin einfach nicht der Typ für Thriller.

Jan-Philipp Sendker: Das Herzenhören
Oh, wie herrlich kitschig! Das ist ein wunderbares Buch – und absolut perfekt für den Urlaub. Julia Win aus New York reist darin an einen völlig abgelegenen und fremden Ort: ein kleines Dorf in Burma. Sie sucht ihren Vater, der vor einigen Jahren verschwunden ist. „Was wissen wir von unseren Eltern, und was wissen sie von uns?“ Die rationale Julia bekommt eine berührende, zu Herzen gehende Geschichte erzählt, die sie nicht glauben kann und will und bei der sie doch spürt: Sie ist wahr. Einen Blinden und eine Lahme zusammenzutun, das klingt wie eine fast schon lächerlich einfache Parabel, ist aber so viel mehr: schlicht, ergreifend und klug. Zwar enthält das Buch Klischeesätze wie „Es gibt nur eine Kraft, die stärker ist als die Angst. Die Liebe.“ und „Muss man die Welt gesehen haben? Alle Gefühle, zu denen wir Menschen fähig sind, die Liebe und den Hass, die Angst und die Eifersucht, den Neid und die Freude, finden Sie in jedem Haus, in jeder Hütte.“ Schön ist es trotzdem und genau deswegen.

einzlkind: Gretchen
Das einzlkind geistert seit einer Weile herum, kam mir immer wieder unter, und während der Lektüre dieses Buchs dachte ich oft: „Was’n das?“ Ich weiß es nicht so genau. In Ansätzen witzig, aber in den Ausformulierungen hohl: So kommt Gretchen daher. Ich hab den Roman nur überflogen, konnte mich weder mit dem Stil noch mit der Geschichte anfreunden. Eine großkotzige Protagonistin, deren Überheblichkeit den Humorrahmen des Buchs ausmachen soll, Dialoge, die sich hochschwingen, aber sofort wieder abstürzen, und ein letztes Drittel, bei dem mir die Füße einschlafen. Die Autorenvita ist zudem die schlechteste, die ich je gelesen habe: Der Autor lebt. Sein Vorname ist vielleicht betamax. Obwohl er ja dann ein Videorekorder wäre. So viel aber kann verraten werden: Ein Videorekorder ist er nicht. Ansonsten gibt es kaum Neues zu berichten. Das zeigt schon, wie unlustig dieses Buch ist.

Cornelia Travnicek: Chucks
„Eine starke neue Stimme“ wurde die 1987 geborene Österreicherin genannt, als ihr Erstling 2012 erschien. Ich hab mir so einiges erwartet von ihr – und war reichlich enttäuscht. Da gibt’s eine, Mae heißt sie, die trägt die roten Chucks ihres Bruders, der tot ist, und verliebt sich in einen, der Aids hat. Das ist tragischer Stoff, der sich einem ins Herz bohren könnte. Stattdessen kommt der lahme, schmale Roman betont blasiert, versifft und uninteressiert daher. Als hätte er mit all dem, was in ihm steckt, nichts zu tun. Die faden, teilweise erstaunlich schlecht formulierten Sätze schaben nur an der Oberfläche, echtes Gefühl kommt keines zustande. Absolut zu vernachlässigen.

Judith W. Tischler: Roman ohne U
Halleluja! So viel Gutes hatte ich gehört von diesem Buch. Am Strand hab ich es endlich gelesen – und hätte schreien mögen. Vor Wut! Spannende Geschichte, durchaus, aber aufs Papier gebracht in einem derart schludrigen, sauschlechten Stil, dass es ein Graus ist. Wegen der vielen Schnitzer, abgeschmackten Formulierungen und Holprigkeiten war der Roman für mich beinahe unlesbar. Dabei hätte ich mich sehr wohl begeistern können für die Story über einen, der wegen eines dummen Streichs in ein sibirisches Lager geschickt wird, dort seine große Liebe trifft und mit ihr ums Überleben kämpft. Die furchtbar blöde Rahmenhandlung um ein Ehepaar mit vier Kindern, das sich nie geliebt hat, hat das zur Gänze kaputtgemacht. Am schlimmsten fand ich die Angaben über Alter, Lieblingsspeise und Zukunftspläne bei jeder Figur – das liest sich wie eine Charakterstudie zur Vorbereitung eines Romans, nicht wie ein eigentlicher Roman. Grauenhaft!

Bücherwurmloch

IMG_8788Blog goes Print
Seit Ende Mai habe ich eine eigene Kolumne im Salzburger Fenster und schreibe unter dem Namen Zuckergoscherl über das Leben mit Kindern, die Stadt Salzburg, das Frausein an sich und über alles, was mir so unterkommt. Das ist aber nicht das Einzige, was in diesem neuen Stadtmagazin mit einer Auflage von mehr als 160.000 Stück von mir zu lesen ist: Ab und zu erscheinen auch gekürzte Buchtipps mit dem Hinweis auf meine Domain, die ich mir ja, vielleicht erinnert ihr euch, extra deswegen endlich eingerichtet habe. Ich wähle dafür Romane aus, die mich über die Maßen beeindruckt haben und von denen ich denke, dass die breite Masse sie nicht kennt. Im besten Fall bekommen diese Bücher mehr Leser! Und mein Blog natürlich auch, hihi.

Bücherwurmloch

IMG_76851. Der wichtigste und ausschlaggebende Grund ist, dass ich Kinder habe und keinen Platz. Ja, das ist kausal gemeint: Seit die Kinder da sind, ist der Platz weg. Vor allem der Platz für etwas so „Überflüssiges“ (Entschuldigung!) wie Bücher. Sie mussten weichen, und sie wichen. Aus dem Büro und Bücherzimmer wurde ein Kinderzimmer, an die Stelle des Regals kam unser erstes Gitterbett. Als ich noch jung war und bei meinen Eltern wohnte, war ich umgeben von Büchern, und ich liebte es. Natürlich war es ein Schock, als ich mich Jahre später von meinen Buchschätzen trennen musste, kistenweise wanderten sie in den Keller, ich verschenkte sie, setzte sie mit Zetteln versehen aus. Das ist mir anfangs wahnsinnig schwergefallen. Aber es gab keine andere Möglichkeit.

2. Heute bin ich daran gewöhnt, Bücher wegzugeben. Ich habe gelernt, mich zu lösen und sie loszulassen. Ich bin sogar so sehr daran gewöhnt, dass es nur noch extrem selten vorkommt, dass ich ein Buch behalte. Inzwischen haben wir zwei Kinder, aber auch eine größere Wohnung, und mein Opa hat mir ein wunderschöness, selbstgezimmerte Holzregal gebaut. Auch hier ist der Platz begrenzt, aber das stört mich nicht mehr: Ich scheue den Abschied von einem Buch nicht, meine Einstellung von früher hat sich ins Gegenteil verkehrt.

3. Ich muss nicht alles besitzen. Und schon gar nicht die Bücher, die ich lese. Sie sind für eine Weile bei mir, begleiten und entführen mich, nehmen mich mit auf eine Reise – und IMG_7682wandern dann weiter. Ich lasse sie frei, und ich habe heute das Gefühl, dass das ihrem Wesen viel mehr entspricht: Geschichten zu erzählen, Wissen weiterzugeben. An so viele Menschen wie möglich.

4. Ich behalte ausschließlich Herzensbücher, nur die wenigen, die mich erschüttert, getroffen und berührt haben. Im Jahr 2015 waren das von über 100 Büchern, die ich gelesen habe, gerade einmal 15. Von ihnen umgeben zu sein, ist sehr schön, weil sie mir viel bedeuten.

5. Ich ersticke nicht in Dingen und in materiellem Besitz.

6. Ich muss nie, wirklich nie Bücher aussortieren.

IMG_76837. Seien wir ehrlich: In die meisten Bücher schauen wir kein zweites Mal hinein. Wir lesen sie, stellen sie ins Regal, und da stehen sie dann. Wir würden sie nicht noch einmal lesen. Wozu sie also behalten?

8. Viele Bücher gefallen mir nicht, ihre Geschichten sind mittelmäßig, sie fesseln und begeistern mich nicht. Das ist für mich ohnehin ein Grund, sie wegzugeben.

9. Ich sehe darin auch eine Vorbildfunktion für meine Kinder. Sie sollen lernen, dass man nicht alles haben muss – dass auch wenig reicht, wenig Gutes vor allem. Wir leben ohnehin im Überfluss, und ich zeige ihnen, dass man sich auch Dingen trennen kann, die einem wichtig sind. Bei mir sind es Bücher, bei ihnen ist es Spielzeug, von dem sie auch ein großes Regal voll besitzen. Sie haben mehr als genug, und ich möchte, dass sie vorgelebt bekommen, dass Reichtum nicht in Quantität besteht, sondern in Qualität.

10. Ich habe nach langer Suche eine wunderbare Auffangstelle für meine Bücher gefunden: die kleine Bücherei in meinem neuen Heimatdorf. Denn das ist natürlich entscheidend: Was tut man mit den Büchern, die man weggibt? Sie bei ebay, rebuy oder einem der anderen Anbieter zuIMG_7684 verkaufen, ist mühsam und lohnt sich nicht. Mein Freundeskreis rollt nur genervt mit den Augen, und zum Wegschmeißen sind sie mir viel zu schade. Aber in der örtlichen Bücherei freut man sich über die Maßen: Hier gibt es wenige, aber sehr gute Bücher, die Leiterin achtet auf eine hochwertige Auswahl. Meine Bücher werden schön laminiert, bekommen ein NEU-Pickerl, werden ganz vorn positioniert und vor allem: Sie werden noch gelesen. Von vielen Menschen.

11. Ich kaufe nicht mehr so unüberlegt wie früher. Ich denke schon beim Buchkauf darüber nach, ob das ein potenzielles Buch ist, das ich behalten möchte. Wenn nicht, dann kann es gut sein, dass es gleich in der Buchhandlung liegen bleibt.

Nun interessiert mich natürlich: Wie haltet ihr es mit der Gretchenfrage? Gebt ihr jemals Bücher weg oder lebt ihr in einem wahrgewordenen Bibliophilentraum, umgeben von Buchtürmen? Könntet ihr euch vorstellen, so wie ich fast kein Buch mehr zu behalten?

Bücherwurmloch

thumb_IMG_6298_1024Willkommen im neuen Bücherwurmloch
Bestimmt kennt ihr den Spruch: Fühle mich wie neugeboren. Könnte schreien. So ging es mir in den letzten zehn Tagen während meines Blogumzugs. Einige von euch haben so etwas ja selbst schon mitgemacht und wissen, dass es nicht babyleicht ist. Das Exportieren der Daten, das Neugestalten und Umbauen kostet viel Zeit und Nerven. Zum Glück hatte ich Hilfe (danke an dieser Stelle!), denn allein hätte ich das weder gewagt noch geschafft.  Jetzt ist das Bücherwurmloch tatsächlich neu geboren. Nach sieben Jahren unter der Fuchtel von WordPress hat es ein eigenes Zuhause, und zwar (so viel Heimatverbundenheit muss sein) ein österreichisches, siehe oben:

buecherwurmloch.at.

Das Bücherwurmloch heißt ja Bücherwurmloch, weil ich einen Namen wollte, der leicht vulgär klingt. Ein bisserl nur. So, dass man es fast nicht merkt. Zudem fand ich freilich das Wortspiel aus Bücherwurm und Wurmloch reizvoll. Zur Geburtsstunde der neuen Domain, dachte ich, sollte ich vielleicht auch mal den Namen des Kindes erklären. Ganz spontan und kurz vor knapp habe ich, wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, entschieden, doch noch das Theme zu wechseln und die Fotos vom crazy Bookworm-Shooting mit Thomas Wozak zu verwenden. Wozu hab ich den Blödsinn denn sonst gemacht?! Jetzt hoff ich natürlich, dass euch das gefällt. Falls nicht, dann verschweigt es mir bitte – das kann ich nach all der Umzugsschwitzerei im Moment nicht verkraften … 😉

Hier wird es weiterhin in gewohnt flapsiger Manier Buchvorstellungen und Kurzinterviews geben sowie alles, für das ich in meinem chaotischen Halligallileben Zeit finde. Im Moment scharren schon Karen Duve und Sarah Kuttner in den Startlöchern. Ich freu mich sehr, wenn ihr mir auch hier folgt und die Treue haltet – und wenn ihr euch die Mühe macht, in euren Blogrolls den alten Link gegen den neuen auszutauschen. Vielen Dank!

Mariki

Bücherwurmloch, Snacks für zwischendurch

thumb_IMG_6900_1024Kurze Meldungen zu 8 Büchern
In den letzten Wochen habe ich einige Bücher gelesen, über die ich nicht unbedingt schweigen will, zu denen ich aber auch nicht allzu viel zu sagen habe. Das bedeutet nicht zwangsweise, dass sie mir nicht gefallen haben – meine Gedanken dazu reichen nur ganz einfach nicht aus für eine umfassende Besprechung. Daher serviere ich euch hier ein paar Kurznotizen dazu und freu mich natürlich über Meldungen von eurer Seite: Kennt ihr einen der Romane? Und wie ist eure Meinung dazu?

 

  1. Jonathan Löffelbein: Besucher. Kladdebuchverlag, 180 Seiten, ISBN 978-3-945431-10-8, 19 Euro.

Jonathan Löffelbein ist erst 24 Jahre alt und hat bereits ein Buch veröffentlicht. Seit er ein Kind ist, steht er auf diversen Bühnen. Er ist jung und wild und kreativ – und hat sich für sein Debüt nicht zurückgehalten. Gleich der Teufel ist es, den er auftreten lässt: Protagonist Thomas, der sich eben noch umbringen wollte, bekommt Besuch von einer merkwürdigen Gestalt, die ihn zwingen will, sich nicht selbst zu töten, sondern jemand anderen. Was folgt, ist ein wirrer Reigen aus Wahnvorstellungen und unerklärlichen Ereignissen, aus verrückten Dialogen, Neid, Missgunst und Vorträgen über die Moral und/oder Scheinheiligkeit. Einerseits hat dieser Roman mich mit seiner Kraft und Kompromisslosigkeit beeindruckt, andererseits hat mich all der Irrsinn zum Teil derart überfordert, dass ich kaum weiterlesen konnte. Ein hochgradig merkwürdiges, bemerkenswertes, absurd krasses Buch.

  1. Richard Flanagan: The narrow road to the deep North. Man Booker Prize 2014, auf Deutsch: Der schmale Pfad ins Hinterland, Piper Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3492057080, 24 Euro.

Dies ist ein Buch über den Krieg. Dorrigo Evans ist gefangen in einem japanischen Lager, wo die Soldaten beim Bau der „Line“ – der Strecke für die Eisenbahn – am Burma Death Railway verheizt werden. Sie sterben im Namen des Kaisers wie die Fliegen, ohne dass Dorrigo, der als Arzt arbeiten soll, etwas dagegen tun kann. „A happy man has no past, while an unhappy man has nothing else“: Noch Jahrzehnte später denkt Dorrigo an die Erlebnisse im Gulag. Und er denkt immer noch an Amy, die Frau seines Onkels, in die er rasend verliebt war, bevor er in den Krieg musste. Nie hat er erfahren, was aus ihr geworden ist. Dieses Buch ist wahnsinnig traurig und deprimierend und brutal, es zeigt die Grausamkeit des Krieges in all seinen trostlosen Details. Stellenweise war es mir viel zu langatmig. Lieblingszitat: „A good book leaves you wanting to reread the book. A great book compels you to reread your own soul.“

  1. Martin Kordić: Wie ich mir das Glück vorstelle. Hanser Verlag, 176 Seiten, ISBN 978-3-446-24529-7, 17,40 Euro.

Ebenfalls dem Krieg widmet sich dieses Buch, das den Leser mitnimmt ins ehemalige Jugoslawien. Erzählt wird die Geschichte von einem Jungen, Viktor, der sich ganz allein durchschlägt – er sucht in zerbombten Städten nach Essen, er weicht den herumsirrenden Kugeln aus, er tut sich mit Weggefährten zusammen, die er später wieder verliert. Alles an diesem Buch ist furchtbar, jede Seite tropft vor Blut, jeder Satz weint vor Einsamkeit. Viktor hat die schrecklichste Kindheit, die man sich vorstellen kann – und die viele Kinder in der Realität tatsächlich erleben. Ich hatte während der ganzen Lektüre einen Kloß im Hals. Ein Roman, der mitten ins Herz schneidet.

  1. Simon van Booy: Die Illusion des Getrenntseins. Insel Verlag, 207 Seiten, ISBN 978-3-458-17592-6, 18,95 Euro.

„Liebe ist auch eine Verletzung und kann nicht ungeschehen gemacht werden“, schreibt Simon van Booy in diesem Buch, das ebenfalls den Krieg zum Thema hat. Es geht darin um einen Mann, der als Baby mitten in einem Getümmel voller Nazis von einer mutigen Frau gerettet wurde. Um ein blindes Mädchen, das sein Leben sehr selbstständig führt und die Liebe findet. Um einen Mann, dem im Krieg der halbe Kopf weggeschossen wurde und der nie mehr als der lebte, der er eigentlich war. Gut geschrieben ist dieser Roman, wenn auch ein wenig verwirrend in seinem steten Zeiten- und Personenwechsel. „Wir werden alle durch etwas bestimmt, das wir nicht ändern können.“ Im Fall des Krieges ist das auf jeden Fall wahr.

  1. Gudrún Eva Mínervudóttir: Alles beginnt mit einem Kuss. Btb Verlag, 384 Seiten, ISBN 978-3442746095, 9,99 Euro.

Bücher aus Island haben stets etwas merkwürdig Geheimnisvolles. Zumindest gilt das für jene, die ich bisher gelesen habe – wie etwa dieses hier. Es geht darin um eine Frau, die Adoptivmutter des Erzählers David, die ihrer Meinung nach einen Musenkuss erhalten hat. Er hat sie zur Künstlerin gemacht, und sie kann ihn weitergeben. Doch als sie das tut, geschehen verrückte Dinge, die schließlich den Tod bringen. Jahre später versucht David endlich herauszufinden, was damals geschehen ist. Das ist alles mehr als seltsam, aber interessant und unterhaltsam zu lesen. Am coolsten und zugleich am schrägsten in diesem Buch sind die Comics und Zeichnungen.

  1. Germán Kratochwil: Scherbengericht. Picus Verlag, 312 Seiten, ISBN 978-3-85452-682-7, 22,90 Euro.

2012 war dieses Buch für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Autor, der in Österreich geboren ist, wanderte als Kind nach Patagonien aus. Dort spielt auch sein Roman, in dem er zwölf Leute zu einer Geburtstagsfeier versammelt. Doppelbödig soll das sein, schwarzhumorig und konfliktträchtig. Viel kam davon jedoch nicht bei mir an, weil mich die Geschichte absolut nicht gepackt hat. Ich hab versucht, mich durchzuwühlen, konnte aber keinen Gefallen daran finden. Es war mir zu langweilig, leiernd, nichtssagend.

  1. Elisabeth Tova Bailey: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen. Nagel & Kimche, 176 Seiten, ISBN 978-3312004980, 8,99 Euro.

Dafür, dass dieses Buch ein völlig unspektakuläres Thema behandelt, hat es für recht viel Aufsehen gesorgt. Die Autorin erzählt darin auf sehr persönliche Weise von einer ebenso schweren wie mysteriösen Krankheit, die sie für sehr lange Zeit ans Bett gefesselt hat. Die einzige Ablenkung in dieser Zeit war für sie eine Schnecke auf einer Topfpflanze, die sie geschenkt bekam und fortan beobachtete. Davon berichtet sie – gemischt mit viel Wissen über die Schnecke an sich. Dieses Buch ist kurzweilig und interessant, für mich aber kein Highlight. Was man durch die Lektüre lernen kann: Entschleunigung.

  1. Sandra Weihs: Das grenzenlose Und. Frankfurter Verlagsanstalt, 192 Seiten, ISBN 978-3627002206, 19,90 Euro.

Vor einer Weile hab ich die ersten 50 Seiten dieses Buchs als Manuskript bekommen, ein wenig redigiert und mit Feedback zurückgeschickt. Als ich dann auf der Leipziger Buchmesse von dieser Story erzählt bekam, dachte ich: Moment – das kommt mir doch bekannt vor! Die Österreicherin Sandra Weihs hat den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung bekommen und ihr Debüt veröffentlicht. Ich war natürlich sehr darauf gespannt, zu lesen, was aus dem Manuskript geworden ist. Auf den ersten Seiten war sofort klar, dass es viel, viel besser ist – kraftvoller, lebendiger, witziger. Sandra Weihs hat auf jeden Fall Talent. Ein wenig schade finde ich, dass das Buch in der zweiten Hälfte schwächer wird und in vorhersehbaren Kitsch abdriftet. Für einen Erstling ist das ganz in Ordnung, der große Clou ist es noch nicht.