Bücherwurmloch

Ruth Ozeki: All over creation

„Of course, that is the problem with living things – they have a life span that cannot be exceeded“
Ruth Ozeki hat einen Roman geschrieben über Familie und Verlust, über zufällig entstandene Freundschaften, Kinderlosigkeit und die Unmöglichkeit zu verzeihen, über Gentechnik und Kartoffeln. Wie das alles zusammenpasst? Ja, gute Frage. Eine ihrer Hauptfiguren ist Yumi, Tochter eines amerikanischen Farmers und einer japanischen Mutter, die mit vierzehn Jahren von zuhause wegläuft. Jahrzehntelang kehrt sie nicht zurück – erst als der Ruf von Cass sie erreicht, die auf der Nachbarsfarm lebt, einst Yumis Freundin war und sich jetzt um Yumis alte, kranke Eltern kümmert, setzt Yumi aus Pflichtgefühl zum ersten Mal wieder Fuß auf heimatlichen Boden. Sie nimmt ihre drei Kinder mit, die alle einen anderen Vater haben, mit keinem davon lebt Yumi zusammen – sie ist auf den ersten Blick ein Freigeist, auf den zweiten Blick zutiefst kaputt. Sie kann keine Beziehung führen, sie ist ihren Kindern keine gute Mutter, als Freundin taugt sie wenig, und als Tochter kann sie nicht vergeben. Dann taucht auch noch Elliot Rhodes auf, der einst der Grund dafür war, dass Yumi und ihre Eltern sich entzweit haben. Der Konflikt bricht auf, die Familienstreitigkeiten entbrennen neu, und noch dazu geraten Yumi und Cass in den gefährlichen Streit zwischen Farmern, skrupellosen Gentechnikfirmen und Umweltschützern.

Ich habe beim Lesen von All over creation das Gefühl, dass dieses Buch zu viel will. Es ist alles in einem und alles nur halb: Familientwist und Anklage gegen die Zerstörung der Umwelt, Mutter-Kinder-Problematik und ungewollte Kinderlosigkeit, Liebesgeschichte, Emanzipation, eine Geschichte über schmierige PR, Lug und Trug, und dann gibt es auch noch Mord und Totschlag und ein Baby. Ruth Ozeki ist aber vielleicht eine Autorin, der ich das verzeihe. Während ich an vielen Stellen ziemlich genervt war von ihrem überladenen Roman, der mit der Hälfte der Ereignisse auch gut bedient gewesen wäre, haben mich an anderen Stellen die Gefühle, die sie so meisterhaft beschreibt, erreicht und angerührt. Ich mag ihren sorgfältigen Stil, ich mochte ihn schon bei A tale for the time being, das jedoch um Längen besser ist. Mit Yumi hatte ich zu kämpfen, weil sie eine instabile, unsympathische Protagonistin ist, der man ihr Gejammer irgendwann nicht mehr abkauft und deren Dilemmata wie aus einem SAT1-Film wirken. Was die Auseinandersetzung mit Gentechnik und der Zerstörung der Landschaft angeht, so merkt man Ruth Ozekis unbedingten Willen, den Lesern klarzumachen, wie viel Schaden hier angerichtet wird – sie hat viel recherchiert und will aufrütteln. Was ihr auch auf jeden Fall gelingt. Dennoch ist dies ein Roman, den ich euch nicht so dringend ans Herz legen würde – außer ihr interessiert euch sehr für Kartoffeln.

„You know how good-byes feel. How the air gets excited when all its ions and electrical charges are disrupted, first by the intent to leave and later by the leaving itself. Then, when the bodies move away through space, they create empty pockets where feelings get caught and eddy around in the vacuum, creating little vortices of relief or sadness or confusion.“

All over creation von Ruth Ozeki ist 2013 bei Canongate Books erschienen, bisher gibt es keine deutsche Übersetzung.

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