Bücherwurmloch

André Kubiczek: Komm in den totgesagten Park und schau

„Die Apokalypse Deutschlands nahte, wenn auch vorerst nur auf leisen Birkenstock-Sohlen“

Felix sitzt fest, er weiß gar nicht so genau, wo. Er wird von der Polizei gesucht, deshalb versteckt er sich – gemeinsam mit seinem Vater. Und hier wird es kurios: Mit seinem Vater hat Felix nämlich eigentlich gar nichts zu schaffen, seit der vor vielen Jahren die Familie verlassen hat. Warum also sind diese beiden, die sich kaum kennen, zusammen auf der Flucht? Davon erzählen sie uns abwechselnd und rekonstruieren eine Geschichte voller Missverständnisse und fragwürdiger Entscheidungen.

„Mein Vater hat immer nur einen winzigen Schritt neben den richtigen Weg gesetzt, und manchmal waren diese Fehltritte auch ein bisschen mehr als nur winzig, und die Summe dieser mehr oder weniger kleinen und falschen Schritte hat ihn in letzter Konsequenz auf die völlig falsche Spur gebracht“,

sagt Felix über diesen Mann, der es eigentlich stets gut gemeint, aber nie gut gemacht hat. Denn sein Vater ist ein klassischer Verlierertyp, mit dem man einfach nur Mitleid hat.

„Leuten wie mir ballten sich nicht etwa die Fäuste, uns ging nicht das Messer in der Tasche auf und wir entsicherten auch nicht unsere Browning, wenn es bedrohlich wurde. Unser typischer Überlebensinstinkt bestand vielmehr darin, im Angesicht jeglicher Gefahr Phrasen der Beschwichtigung abzusondern, womit man natürlich nur unter anderen Feiglingen durchkam. Im akademischen Diskurs zum Beispiel.“

Komm in den totgesagten Park und schau ist ein sehr weirdes, amüsantes und politisches Buch, das mich gut unterhalten hat. Es geht um die Lyrik der DDR darin, um eine erste Liebe und das Scheitern, um zwei kaputte Familien und unterschiedliche Vorstellungen davon, wie unsere Gesellschaft organisiert sein sollte. Das Stilmittel, die beiden Protagonisten in Briefen erzählen zu lassen – Felix schreibt an eine Freundin, sein Vater schreibt an Felix –, wobei sie auch erste Versionen durchstreichen, ist schlau und raffiniert. Dies ist ein temporeicher, klug konstruierter Roman, der vollgepackt ist mit Gesellschaftskritik, dabei aber nicht belehrend daherkommt. Sehr originell und lesenswert!

Komm in den totgesagten Park und schau von André Kubiczek ist erschienen bei Rowohlt (ISBN 978-3-87134-179-3, 384 Seiten, 22 Euro). Der Buchtitel stammt übrigens von einer Gedichtzeile von Stefan George.

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