Für Gourmets: 5 Sterne

Reza„Ich bin sehr lichtempfindlich. Psychisch, meine ich“
Robert und Odile streiten im Supermarkt an der Käsetheke und nehmen einen banalen Zwischenfall zum Anlass, die aufgestaute Verachtung herauszukotzen. Eine Ehe, in der Lähmung und Ratlosigkeit vorherrschen, führen auch Ernest und Jeanette. Arzt Philip dagegen ist homosexuell und bezahlt für den Sex, weil ihn das anturnt. Pascaline und Lionel sind verzweifelt, weil ihr Sohn sich für Celine Dion hält – und alle Welt das auch noch witzig findet. Hélène trifft im Alter ihren Liebhaber aus jungen Jahren wieder, den sie schon damals abstoßend fand – und dem sie auch heute trotzdem folgt, einfach so, aus dem Bus hinaus. Was all diese Menschen verbindet? Sie sind miteinander verwandt oder befreundet. Sie sind Schauspieler, Hausfrauen, Journalisten, Ärzte – und allesamt zutiefst unglücklich. Was das ist, Glück? Nun. Es existiert nicht.

Als ich Glücklich die Glücklichen von Yasmina Reza beginne, sauge ich einmal scharf die Luft durch die Zähne ein. Weil ich sofort weiß: Das hier wird richtig gut. Ich bin schon nach wenigen Seiten wie elektrisiert, ein fieses Lächeln setzt sich in mein Gesicht, und mein Faible für schwarzen Humor und Sarkasmus jubelt begeistert: Mehr, mehr, meeehr! Und ich bekomme mehr – eine ordentliche Dosis Ironie, Abgebrühtheit, Resignation. Yasmina Reza hat eine unglaublich spitze Feder, und ich mache innerlich einen Kniefall vor ihr. Auf sehr ungewöhnliche Art durchleuchtet sie in diesem Roman, der keine durchgängige Story bietet, sondern in viele Perspektiven gesplittet ist, einen kleinen Kosmos: Eltern, Großeltern, Freunde, verheiratet, verliebt, einsam, voller Hass, voller Klagen. Jeder hat ein anderes Päckchen zu tragen, keiner trägt es mit Würde: Es wird nach Herzenslust lamentiert. Das ist so bitter und niederschmetternd – einfach großartig! Und bei all der Düsternis trotzdem noch überraschend amüsant.

Passenderweise habe ich vor wenigen Tagen zufällig Der Gott des Gemetzels gesehen, einen Film von Roman Polanski nach einem Stück von Yasmina Reza, die als Regisseurin, Schauspielerin und Theaterautorin agiert, mit Kate Winslet, Jodie Foster und dem von mir sehr verehrten Christopher Waltz. Wie zwei Ehepaare innerhalb kürzester Zeit die Fassung verlieren und ihre wahren Gedanken offenbaren, ist herrlich. Ich glaube, Yesmina Reza ist just my kind of girl. Ich steh drauf, wie boshaft sie mit den vielen Figuren in Glücklich die Glücklichen umgeht, und dass die einzelnen Kapitel so kurz sind, finde ich grandios. Die Autorin öffnet mir ein Fenster nach dem anderen, sagt: Schau, schau, was die da treiben, armselige Gestalten, ich schaue, sie kichert mir ins Ohr, schlägt das Fenster zu, bamm. Zusammengesetzt ergeben all diese kurz erhaschten Blicke das Bild einer Gesellschaft, in der Monogamie vorherrscht, aber hinterrücks betrogen und gelogen wird, und in der Ehen aufrechterhalten werden, in denen Mann und Frau nur noch auf den erlösenden Tod warten – egal, ob den eigenen oder den des anderen. Absolut genial!

Bestes Zitat: „Ich möchte gern zwischen den Hunderten Körpern, die ich begehre, auf den einen stoßen, dem es gegeben ist, mich zu verletzen. Selbst von weitem, selbst abweisend, selbst auf einem Bett hingestreckt, mir den Rücken zukehrend. Auf einen Liebhaber, mit einer unkenntlichen Klinge gerüstet, die mir die Haut abzieht. Das ist die Signatur der Liebe.“

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Glücklich die Glücklichen von Yasmina Reza ist erschienen im Hanser Verlag (ISBN 978-3-446-24482-5, 176 Seiten, 17,90 Euro).

Was ihr tun könnt:
Euch die Leseprobe runterladen.
Ein Interview mit der Autorin lesen.
Das Buch bei ocelot.de bestellen.
Den Trailer zu Der Gott des Gemetzels anschauen.

Was andere über dieses Buch sagen:
“Das Glück ist da, wo man es am wenigsten erwartet. Das ist das eigentlich Charmante an diesem Buch. Und das was beim Lesen glücklich macht”, schreibt Spiegel Online.
“Dieses Buch enthält Sprengstoff!”, heißt es bei ndr.de.
“Dabei sind es gerade die Momente des Verstoßes gegen die ungeschriebenen Regeln des Miteinanders, in denen gleichermaßen der größte Witz liegt und die größte Freiheit”, erklärt die FAZ.

Gut und sättigend: 3 Sterne

Christophersen„Er und sie, der Weggeher und die Zuhausebleiberin“
„Liebe Gesa, ich habe eine Entdeckung gemacht, die Dich sehr wahrscheinlich nicht überraschen wird: Ich ertrage keine Schlüsse. Anfangen ist immer leicht, Schlussmachen schwer. Vermutlich deshalb meine Begeisterung fürs Echo? Das Unvermeidliche noch etwas hinauszögern, indem man es verlängert und langsam ausklingen lässt …“ Das schreibt Tom 2004 an Gesa, auf einer seiner Postkarten, von denen er über die Jahre viele geschickt hat seit jener ersten von der polnischen Ostsee 1989. Damals war Tom 15 und Gesa 17, er spielte schon leidenschaftlich gern und gut Gitarre, sie fand ihn anfangs lästig, dann interessant. Während Gesa zuhause in Flensburg eine Familie gründet und Tom mit seiner Band tourt, halten sie ihre Freundschaft aufrecht. Eine Freundschaft, die erst durch die Distanz zu funktionieren scheint, denn Tom ist in der Nähe verschlossen und unkommunikativ. Darunter leidet in all den Jahren besonders Aga, die sich an der Ostsee in ihn verliebt hat, und auch Gesa bekommt seine Kälte zu spüren – nach einem Zwischenfall bei ihrer eigenen Hochzeit …

Der deutsche Autor Jan Christophersen, der mich mit seinem Debüt Schneetage von 2009 außerordentlich beeindruckt hat, ist ein sparsamer Schriftsteller. Er wirft weder mit Worten noch mit Gefühlen um sich, er schreibt leise und vorsichtig, klug und bedacht. In seinem zweiten Buch Echo porträtiert er eine Freundschaft, die seltsamerweise umso enger zu sein scheint, wenn die Freunde einander nicht sehen. Tom, der erfolgreiche Gitarrist, drückt sich durch seine Musik aus, und Gesa, die ihn gut kennt, hört zu und versteht. Ist Tom da, ist er schweigsam und verweigert Umarmungen, offenbart nichts Wichtiges, macht Smalltalk mit Gesas Mann. Er inszeniert sich als Einzelgänger und vermeidet Bindungen an andere Menschen. Gesa gibt nie zu, wie sehr sie das verletzt – bis es eines Tages nicht mehr weitergeht mit dieser Einbahnstraße einer Freundschaft.

Thematisch haben die beiden Romane von Jan Christophersen nicht das Geringste miteinander zu tun, und doch kann ich beim Lesen das Vergleichen nicht vermeiden: Ich vermisse in Echo das Tiefgehende, das Mystische und Bewegende von Schneetage. Da der Autor das Buch so aufgebaut hat, dass er von fast allen Ereignissen erst berichtet, wenn sie schon vorbei sind, und ich sie somit nicht miterleben kann, wirkt der ganze Roman selbst auf mich wie ein Echo. Er ist der Nachhall einer Geschichte, die längst erzählt wurde, und deshalb ein wenig blass, am Ausklingen. Andererseits spiegelt die Dynamik des Buchs die Dynamik der Geschichte wider: Tom ist einer, der nie da ist, einer, von dem es nur das Echo gibt, und so gesehen ist das Zusammenspiel von Form und Inhalt sehr gut gelungen. Perfekt dazu passt auch das Cover – einmal mit, aber eigentlich irgendwie ohne Tom. Ich habe das ganz subjektive Gefühl, dass der Autor an der Figur von Tom näher dran ist als an jener von Gesa, obwohl sie den Erzählpart bestreitet. Das ist aber vermutlich für mich deshalb momentan heikel, weil ich ein bisschen Gesa bin, nämlich Mutter von zwei Minirabauken, und bei der Beschreibung ihres Gemütszustands den Eindruck bekomme, dass sich ein Mann das eben so vorstellt, wie es sein muss, wenn man rund um die Uhr ein Baby stillt und sich vor lauter Überforderung beinahe selbst verliert. Wirklich eingefangen und abgeholt fühle ich mich davon nicht.

Sehr schön sind die Postkartentexte, die Einblick geben in das Chaos, das in Tom herrscht und das er nie zeigt, außer in seiner Musik. Er ist als Mensch zerbrechlich wie Glas, schrammt ganz bewusst haarscharf an der Liebe vorbei, erweist sich aber stets als treuer Freund. Jan Christophersens Buch ist seltsam und anrührend, wie das Duett zweier Stimmen, die harmonieren, obwohl sie nicht dasselbe singen. Was also tun mit Echo? Am besten lesen und sich selbst eine Meinung bilden über diesen Roman rund um verpasste Chancen, die zerstörerische Kraft des Schweigens und das Erwachsenwerden.

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Echo von Jan Christophersen ist erschienen im mare Verlag (ISBN 978-3-86648-204-3, 224 Seiten, 18 Euro).

Was ihr tun könnt:
Jan Christophersen beim Lesen zuhören und zusehen.
Das Buch bei ocelot.de bestellen.
Sophies Rezension zu Schneetage lesen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

SullivanVon der Macht des Materiellen – und der Liebe
Sie ist eine für ihre Zeit ungewöhnliche Frau: 1947 schreibt Mary Frances Gerety, die als Werbetexterin arbeitet und unverheiratet ist, für den Diamantenproduzenten DeBeers den Slogan „A diamond is forever“. In den darauf folgenden Jahrzehnten gelingt es ihr anhand von gezielten Kampagnen für ihren Arbeitgeber N. W. Ayer, die größte Agentur weltweit, in den Köpfen aller Frauen zu verankern, dass ein Verlobungsring einen Diamanten haben muss – und dass dieser zwei Monatsgehälter kosten soll. Wie stark diese vermeintliche „Tradition“ ist, zeigt sich beispielsweise an Rettungssanitäter James, der 1987 alles Menschenmögliche tut, um seine Familie irgendwie durchzubringen – und der sich ununterbrochen dafür schämt, dass er seiner Frau Sheila seinerzeit keinen größeren Diamanten schenken konnte. Seine Angst, ihr nicht zu genügen, geht sogar so weit, dass er ihr mit dem spärlichen Verdienst lieber einen neuen Ring kauft, anstatt das bedrohliche Loch in ihrem Haus zu reparieren. An Geld mangelt es der Französin Delphine nicht, die 2003 durch einen Zufall gemeinsam mit dem ihr fremden Henri einen antiken Musikladen kauft und weiterführt – aber es mangelt ihr an Leidenschaft. Denn sie heiratet Henri, ohne ihn zu lieben, und entflammt plötzlich für den amerikanischen Geiger PJ, der Henris Stradivari kauft. Wenige Tage später sitzt sie in einem Flugzeug nach New York – mit einem funkelnden Diamanten am Finger. Eine absolute Diamantenhasserin ist Kate, die sich für die Umwelt und gegen die weltweiten Ungerechtigkeiten engagiert, ihr Kind freigeistig und nur mit Bio erziehen will, die Ehe verweigert – und 2012 Trauzeugin ihres Cousins Jeff sein muss, der seinen Freund Toby heiratet. Kate hat ein echtes Problem, und zwar mit allem: mit Nutella, Haarspray, dem sozialen Gefälle und den Blutdiamanten. Trotzdem gerät sie in Panik, als sie kurz vor der Hochzeit einen der diamantenen Eheringe verliert. Panikartig ist auch der Zustand von Evelyn, die im Jahr 1972 partout nicht verstehen kann, warum ihr Sohn die liebreizende Schwiegertochter und die Enkelinnen sitzen lässt, um sich mit einer vulgären Frau aus Kalifornien zusammenzutun. Was all diese Menschen verbindet? Die Suche nach dem Glück, nach der Liebe – und die unheimliche Faszination, die von Diamanten ausgeht.

J. Courtney Sullivan, die 2013 mit Sommer in Maine Erfolge feierte, hat mit Die Verlobungen ein Buch geschrieben, das für mich alle Charakteristika eines perfekten Schmökers aufweist: Es ist genial konstruiert – wobei sich die eigentlichen Zusammenhänge erst, und das macht es so gut, am Ende erkennen lassen –, der Stil ist ausschweifend, prall, aufgespeckt mit viel Hintergrundinformation über die Charaktere, die Figuren sind detailgenau und liebevoll gezeichnet, und die Handlung umspannt mehrere Jahrzehnte. Auf knapp 600 Seiten entfaltet sich ein opulenter Roman, in dem es sich so richtig schwelgen lässt. Die verschiedenen Kapitel wirken wie eigenständige Geschichten, werden aber von der thematischen Klammer „Hochzeit, Ehe, Diamantring“ zusammengehalten – und zwar auf indirekte und somit angenehme, aber doch spürbare und sinnvolle Weise. Da ich selbst als Werbetexterin arbeite, hat mich die wahre Story über Mary Frances Gerety und ihren Claim, der in der Agentur auf wenig Begeisterung stieß und später zum „Slogan des Jahrhunderts“ gewählt wurde, ganz besonders fasziniert. J. Courtney Sullivan hat auf interessante Weise herausgearbeitet, wie mit der Werbung der Grundstein für eine „Tradition“ gelegt wurde, die in der Folge so viele Leben und Liebesgeschichten beeinflusst hat – wie die Autorin dann mit den fiktiven Figuren James und Evelyn, Kate und Delphine eindrucksvoll zeigt. Sie schildert auch, wie sich das Heiraten in Amerika im vergangenen Jahrhundert verändert hat, und dass Diamanten nach wie vor als Symbol für die ewige Liebe stehen. Ich muss gestehen, dass ich in Sachen Romantik recht nüchtern bin und man mich mit weißen Täubchen und schimmernden Hochzeitsbillets nicht beeindrucken kann, weshalb mir der Roman stellenweise thematisch bedingt zu kitschig war. Wer aber ein Faible für diese Dinge hat, findet in diesem Buch ganz sicher ausreichend Stoff für romantische Tagträume. Es geht allerdings in Die Verlobungen mitnichten um Glitzer und Glamour, im Gegenteil: J. Courtney Sullivan hat das Leben abgebildet, wie es ist – anstrengend, banal, traurig –, wodurch sich die Sehnsucht nach ein bisschen Glitzer und Glamour erst recht hervorhebt. Sehr gut!

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Die Verlobungen von J. Courtney Sullivan ist erschienen im Deuticke Verlag (ISBN 978-3-552-06244-3, 592 Seiten, 21,90 Euro).

Was ihr tun könnt:
In diesem Interview sehen und hören, warum die Autorin selbst keinen Diamanten trägt.
Auf die Verfilmung gespannt sein, angeblich hat sich Reese Whiterspoon die Rechte gesichert.
Das Buch über ocelot.de bestellen.

Was andere über das Buch denken:
Gut findet es Zoé von lesezeit.
Gut findet es auch Enid von Literaturschock.

Gut und sättigend: 3 Sterne

Kolbe„Wenn die Frauen nur deinen Namen hören, kriegen sie schon feuchte Höschen“
„Bei der Scheidung der Eltern durch das Amtsgericht hätte die Geschichte von Harry alias Hadubrand Einzweck, meine Geschichte als unabhängige Person beginnen können. Das wäre nicht zu viel verlangt gewesen für einen Vierjährigen.“ Wo auch immer sie beginnt, Harry hat in seiner Geschichte durchaus einiges vorzuweisen: schnelle und große Erfolge als Komponist schon in jungen Jahren, das Mentoring des Meisters Sebastian Kreisler und Frauen über Frauen über Frauen. Sogar der Geheimdienst ist interessiert an ihm – denn Harry lebt in der DDR. Während die meisten versuchen, auszureisen, gibt er sich ab und zu rebellisch, hält aber in letzter Instanz stets den Mund, um sein eigenes Vorankommen nicht zu stören. Zum Vater, der als Kulturfunktionär die Kunstszene ausspioniert, hat er nur sporadisch Kontakt, die Lebensbahnen laufen parallel, kreuzen sich von Zeit zu Zeit. Neben all dem Persönlichen steht ihnen auch die Politik im Weg, denn da der Vater einst aus Überzeugung in den Osten ging, muss der Sohn nun in einer Diktatur leben. Und denkt man an das germanische Hildebrandslied, sind die Namen der Figuren wohl bezeichnend.

Die Lüge von Uwe Kolbe ist ein verstörendes, politisches und für mich sehr männliches Buch. Seite um Seite folge ich dem Ich-Erzähler Hadubrand Einzweck in seiner nicht chronologischen Selbstdarstellung, bis ich mich plötzlich bei dem Gedanken ertappe: Was für ein Arschloch. Dann wird es auf einmal einfacher, das Buch zu lesen. Vielleicht, weil sich eine Schublade geöffnet hat, in der der Protagonist es sich mit all seinen Eigenschaften gemütlich macht: Eingebildet ist er, eitel, präpotent. „Ich genoss die Popularität, die damit einherging, verlegen wie schamlos zugleich.“ Die Frauen – Linda, Rebekka, Katharina, Vera, Susanne und wie sie alle heißen – wechselt er in rasantem Tempo und hinterlässt dabei Kinder sowie gebrochene Herzen. Und obwohl er den Vater selten sieht, gleicht er ihm in diesen Verhaltensweisen, hat er doch selbst haufenweise Stiefgeschwister und (Ex-)Stiefmütter. Über den Vater sagt er: „Er kommt vorbei, hält seinen Schwanz rein, an dem ein paar Privilegien hängen, und dann zieht die Karawane weiter.“ Während Harry überzeugt ist, mit kleinen Aufmüpfigkeiten den Obrigen Ärger zu bereiten und sich ab zu einen Tadel einfängt, zappelt er in Wahrheit brav im Netz und ist folgsam wie ein Lemming. Inwiefern sich das mit Uwe Kolbes Erlebnissen deckt, wäre interessant zu erfahren, heißt es doch, dass der Roman, der in den Jahren 1976 bis 1984 spielt, autobiografische Züge trägt.

Ich hatte von Uwe Kolbe, der selbst in Ostberlin geboren und dort als Lyriker berühmt geworden ist, eine viel poetischere Sprache erwartet und bin überrascht von seinem nüchternen, verqueren Stil. Manch Formulierung wirkt auf mich in ihrer Ernsthaftigkeit und Korrektheit „typisch deutsch“, auch wenn dies freilich kein adäquater Ausdruck bei der Beschreibung eines Schreibstils sein kann: „… kam es immer wieder zum Abhören von zwei, drei Schallplatten“ oder „… unter stechenden Schmerzen entleerte sich mein sonst sehr deutsches, verstocktes Gedärm“. Allerdings passt das Formale perfekt zum Inhalt, und das Gesamtpaket aus Einblick in die deutsch-deutsche Vergangenheit, Porträt eines rücksichts- und skruppellosen Mannes und das seines ebenso wenig charakterstarken Vaters sowie schnörkelloser, griffiger, irgendwie verdrehter Sprache ist stimmig. Es fiel mir jedoch mehr als einmal schwer, mich im Geflecht aus verschiedenen Zeitebenen und Perspektivenwechseln zwischen Vater und Sohn zurechtzufinden. Dies ist kein gefälliges Buch, sondern eher eins, das den Leser ins Wadl beißt, dabei grimmig knurrt und sich nicht so schnell abschütteln lässt. Auf interessante Art beeindruckend.

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Die Lüge von Uwe Kolbe ist erschienen bei S. Fischer (ISBN 978-3-10-040221-9, 384 Seiten 21,99 Euro).

Was ihr tun könnt:
Einen Ausschnitt aus dem Roman bei den FAZ.net-Lesezeichen lesen.
Das Buch über ocelot.de bestellen.

Was andere über dieses Buch denken:
„Kolbe, selbst einst als Literatur-Wunderknabe der DDR gefeiert und von seinem Vater Ulrich für die Stasi ausspioniert, liefert mit „Die Lüge“ einen Schlüsselroman, ein komplexes Sittenbild aus der Mitte der Stasi-Hölle der DDR“, erklärt die Frankfurter Neue Presse.
„Kolbe will es dem Leser nicht zu einfach machen, seine Prosa hat keinerlei Liebreiz und kennt keine falsche Harmonie. Damit spiegelt sie den Stoff“, heißt es auf spiegel.de.
„Der Erzähler Kolbe will einfach sehr viel, manchmal zu viel. Er arbeitet mit Vor- und Rückblenden, mit Zeitsprüngen, denen zu folgen nicht immer einfach ist“, schreibt die Welt.

Gut und sättigend: 3 Sterne

SahmDer melancholische Effekt von Polaroids
Es gab da diesen Sommer am Balaton, in dem Anna aus München und Kinga aus Budapest sich trafen und bei Teenager-Abenteuern wie In-die-Disco-Schleichen, Tretbootfahren mit einem Jungen und Alkoholtrinken eine Instant-Freundschaft eingingen, die sie anschließend jahrelang per Brief aufrechterhalten. Kinga ist wild, sexuell aktiv, witzig, erfolgreich – Anna dagegen hat einen einzigen, homosexuellen Freund, macht eine Bäckerlehre, erfindet einen Liebhaber und fadisiert sich nach der Trennung der Eltern im ständig leeren Haus. Als aus den Mädchen junge Frauen geworden sind, fällt die 23-jährige Kinga nach einem Unfall ins Koma. Anna fährt nach Budapest, nistet sich bei Kingas Eltern ein, beginnt Ungarisch zu lernen. Was genau sie in Budapest will und sucht, ist unklar, denn Kinga besucht sie nicht im Krankenhaus. Dafür verbringt sie umso mehr Zeit mit Kingas Freund Tibor, drängt sich ihm auf, fängt an zu kellnern, ist völlig scham- und rücksichtslos. Bis alles ein abruptes Ende findet.

In Das letzte Polaroid erzählt die deutsche Autorin Nina Sahm, die auch einen Prosa-Blog betreibt, eine höchst merkwürdige und irgendwie beunruhigende Geschichte. Sie hat sich getraut, mit Protagonistin Anna eine überaus unsympathische Figur zu entwerfen, eine Ich-Erzählerin, deren Charakterlosigkeit zum Kotzen ist. Denn Anna ist sprichwörtlich charakterlos, hohl, leer. Schon als Teenager im Balaton-Urlaub wurde sie als behütetes, stummes, verwöhntes Gör überrollt von Kingas Lebendigkeit und Mut. Über die Jahre haben sich in Anna schleichend und unbemerkt, ohne dass es im Roman je explizit erwähnt wird, Neid und Eifersucht angestaut. Sie hat vielleicht nicht unbedingt vorgehabt, in Kingas Leben zu schlüpfen, doch als es nach und nach geschieht, tut sie auch nichts dagegen. Allerdings ist Anna klug genug, um sich ihrer Wechselhaftigkeit bewusst zu sein, sie ist „Anna, der man alles anvertrauen konnte, die alles mit sich machen ließ. Die ihre Interessen wechselte wie ein verfluchtes Chamäleon. Ich überlegte, was Tibor wohl zu all den Annas sagen würde. Den Annas, die ich versucht hatte zu sein, bis ich selbst nicht mehr wusste, wie das Original eigentlich aussah. Ich hatte jede Rolle so lange gespielt, bis es zu anstrengend wurde und sie dann aus Gier nach mehr oder einfach aus Angst gegen etwas Neues eingetauscht.“ Als Anna endlich bereit ist, mit den Lügen aufzuhören, ist es zu spät.

Das Cover von Das letzte Polariod ist bezeichnend für den Inhalt: Ein Mädchen springt wagemutig in die Luft, das andere sieht neidisch zu. Nina Sahm hat perfekt eine Stimmung eingefangen, die nie in Worte gefasst wird und doch stets mitschwingt. Ein wenig gestört hat mich, dass die Handlung so ziellos ist wie Anna und das Buch zwischendrin seltsam orientierungslos wirkt, sodass ich nicht weiß, wo es hin will mit mir. Die Urlaubstage am Balaton sind derart aufgebauscht, dass ich mich frage, ob man sich denn so detailgetreu an jahrelang zurückliegende Geschehnisse erinnern kann – ich kann es nicht. Generell aber ist dies ein kluger, mutiger, interessanter und glänzend aufgebauter Roman mit einem überraschenden und grandiosen Ende, den ich gern gelesen habe und euch durchaus empfehlen möchte.

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Das letzte Polaroid von Nina Sahm ist erschienen bei Blumenbar im Aufbau Verlag (ISBN 978-3-351-05008-5, 239 Seiten, 17,99 Euro).

Was ihr tun könnt:
Nina Sahm beim Lesen zusehen.
Das Buch über ocelot.de bestellen.

Was ihr lesen könnt:
Andere gute Bücher über eine besondere Freundschaft.
Tigermilch von Stefanie de Velasco
Das Geheimnis der Eulerschen Formel von Yoko Ogawa
Die Ordnung der Sterne über Como von Monika Zeiner

Gut und sättigend: 3 Sterne

Agren„Man versucht zu schlafen, meint, dass die Knochen durch die Haut schaben. Es ist kalt, kalt, ständig kalt“
Im Jahr 1958 ist Leo Ǻgren zusammen mit einer finnischen Schriftstellerdelegation in Russland, wo er in einer heruntergekommenen Trinkstube einen Mann namens Leo Nilheim trifft. Der lädt ihn ein auf einen Tee und eine Geschichte, seine eigene nämlich, die er in dieser Nacht erzählt. Er berichtet von einer harten, langweiligen Kindheit voller Hunger: „Die neue Generation, die Zukunft der Sowjetunion, wuchs unterernährt, zerlumpt und verwildert heran.“ Die Mutter kannte er nie, den Vater und die Großmutter verlor er fast gleichzeitig. Über ihren Tod spricht er abgeklärt, fast schon spöttisch: „Großmutter war nämlich sehr religiös. Wenn wir einen Verwandten an der alten Dorfkirche beisetzten, gehörte sie immer zu denen, die am eifrigsten die Stirn auf den Boden schlugen und sich bekreuzigten. Schließlich begruben wir auch sie.“ Auf diese Kindheit, deren größtes Abenteuer wohl die Deportation des bissigen Ebers Rasputin nach Sibieren war, folgen der Einzug und der Kampf an der karelischen Front, wo Leo von den Finnen gefangen genommen wird. „Drei Tage wanderten wir durch das eisige Karelien, dieses unglückliche, umkämpfte Land.“ Er sieht Berge von Leichen, isst Rinde, friert – und überlebt. Die aber, die er vorher kannte, sind gestorben.

Leo Nilheims Geschichte ist ein schmales Büchlein, in dem der schwedischsprachige finnische Autor Leo Ǻgren, der 1984 verstorben ist, vom Zweiten Weltkrieg erzählt – allerdings „von der anderen Seite“. Er lässt einen Russen berichten, der aufgewachsen ist mit der Verehrung Stalins und dem Hunger, der an die Ideale der Sowjetunion glaubt und in den Krieg gegen die Deutschen bzw. die Finnen ziehen muss. Wie der Kampf der Deutschen an der russischen Front endete, ist bekannt, aber freilich ist es nicht so, als hätten die russischen Soldaten ihren Spaß gehabt. Leo Nilheim ist alt und müde, er ist ein resignierter Erzähler, der in jener einen Nacht längst Vergangenes heraufbeschwört: Kälte, bittere Kälte, Einsamkeit, Todesangst, Hunger. Da er überlebt hat, schildert er alle Widrigkeiten als etwas, das man besiegen konnte, doch der Schrecken ist in jedem Satz spürbar. Zwei fremde Männer sitzen beisammen, der eine breitet sein Leben auf dem Tisch aus, der andere bleibt stumm und schaut es sich an. Ein wenig schade finde ich, dass die Erzählung gar so kurz geraten ist und ein wenig unvermittelt endet, andererseits bin ich beeindruckt, dass sie trotz der Kürze so kraftvoll und erschütternd ist. Ein kleines Stück Zeitzeugnis, das Einblick gibt in Ereignisse, die begraben liegen unter Tonnen von Schnee und Jahrzehnten des Vergessens – und an die wir uns doch stets erinnern sollten.

Leo Nilheims Geschichte von Leo Ǻgren ist erschienen im Osburg Verlag (ISBN 978-3-95510-038-4, 160 Seiten, 17,99 Euro).

Gut und sättigend: 3 Sterne

ElsässerStarke Short Storys aus der Schweiz
Zwei kleine Mädchen begleiten die Mutter zur sterbenden Tante und sind recht verstört vom unmittelbaren Miterleben des Todes. Eine Frau hat Sex mit dem Mann ihrer Freundin, der ihr die Nachricht „Feuer ist eine seltsame Sache“ auf dem Küchentisch hinterlässt. Zwei Frauen im Altersheim, Magda und Otilia, verstehen sich gut und zanken viel – und haben beide vergessen, dass sie Mutter und Tochter sind. Eine Tochter, eine unerwünschte, hat auch Krankenschwester Lena, von einem wesentlich älteren Mann, der sie ausgenutzt und im Stich gelassen hat damals – und jetzt sterbend auf ihrer Station liegt.

Absurdes, Verqueres und Grenzwertiges, aber irgendwie trotzdem Glaubwürdiges versammelt die Schweizer Autorin Lisa Elsässer, die auch Lyrik schreibt, in 16 Kurzgeschichten unter dem Titel Feuer ist eine seltsame Sache. Ihre Short Storys zu lesen, ist, wie in einem überfüllten Café zu sitzen und immer wieder rechts und links die Gesprächsfetzen von Fremden aufzufangen, sie zu beobachten in ihrer Mimik und Gestik, aber flüchtig nur, vieles nicht zu verstehen, Zusammenhänge zu rekonstruieren oder zu erfinden und sich am Ende des Tages zu fragen, was zur Hölle man da eigentlich erlebt hat. Das macht Spaß im Kopf, ist aber auch sehr verwirrend und anstrengend. Allerdings kann man ja bei Kurzgeschichten jederzeit bequem eine Pause einlegen, ohne aus dem Handlungsrahmen zu fallen. Lisa Elsässers Miniaturgeschichten kommen wie kleine Häppchen daher, sind aber in Wahrheit große Brocken, die Aufmerksamkeit verlangen. Der Tod ist nie weit entfernt, die Liebe auch nicht, und irgendwo dazwischen versuchen die Figuren, ein bisschen zu leben. In manchen Kurzgeschichten verliere ich sofort den Faden, falls es je einen gab, in anderen finde ich kluge Aspekte, schauerliche Eindrücke und intelligente Sätze:

„Und alles konnte ich überall auf der Welt auch sehen: Sonnenuntergänge und Nebel, Menschen, die sich lieben und trennen und nicht lieben und doch nicht trennen.“

„Ich ertappte mich bei jeder Begegnung mit ihr bei einem Gefühl, als ziehe es mir die Rippen herzwärts.“

„Gräber sind das, was man sich von der Ewigkeit vorzustellen vermag: ruhiges, friedliches Nebeneinander. Wer du und was du warst, hat drüben, oben, unten oder im All keine Bedeutung. Endlich fällt sie weg.“

„Schweigende Menschen treiben mich in einen Redefluss, als müsste ich das Schweigen der anderen und mein Reden in ein Gleichgewicht bringen, in die Mitte, wo beide ein ausgewogenes Maß von beidem genießen oder verweigern konnten.“

Lisa Elsässer beherrscht ihr mit Preisen bedachtes Handwerk, und auch wenn ich nicht jede Geschichte in ihrer Kernbotschaft begreife, hallen die Originalität, der bewusst schief gehaltene Ton und die kraftvollen Sprachbilder noch lange nach.

Feuer ist eine seltsame Sache von Lisa Elsässer ist erschienen im Rotpunktverlag (ISBN 978-3-85869-554-3, 176 Seiten, 25 Euro).

Für Gourmets: 5 Sterne

Nadzam„Du siehst aus wie ein wildes Stück Erde, das die Gestalt eines Mädchens angenommen hat“
Tommie ist elf, hat riesengroße Sommersprossen, eine teilnahmslose Mutter und Freundinnen, die sie als Mutprobe zu einem älteren Mann schicken, um eine Zigarette zu schnorren. Dieser Mann, David Lamb, will Tommies Freundinnen eine Lektion erteilen, indem er so tut, als würde er das Mädchen entführen. Denen ist das jedoch reichlich egal, und Tommie wird klar, dass sie überhaupt nie Freundinnen waren. Fortan trifft sie sich mit Lamb, schwänzt die Schule, fährt mit ihm herum und lässt sich zum Essen einladen. Eine eigentümliche Beziehung entsteht, die man fast Freundschaft nennen möchte – wären da nicht die 40 Jahre Altersunterschied und Lambs unklare Motive. Sein Vater ist gestorben, seine Frau hat ihn verlassen, seiner Geliebten Linnie lügt er vor, er sei noch verheiratet – was will er von Tommie? „Und wer kann es ihm vorwerfen, wenn er sich danach vollständig – mit Schultern, Gesicht, Händen, Hüften – dem Mädchen zuwandte? Das Mädchen brachte ihn wieder in Kontakt mit sich selbst und mit der wirklichen Welt, die David Lamb, wenn er ehrlich war, noch nicht aufzugeben bereit war.“ Deshalb macht er ernst und nimmt Tommie tatsächlich mit – auf eine weite Reise zu einer Hütte in den Bergen. Es geschieht nicht gegen Tommies Willen. Allerdings weiß die Kleine wohl gar nicht, was sie will, weil Lamb sie derart geschickt manipuliert, dass sie alles tut, was er möchte. Wie Wachs ist dieses unreife, ungeliebte Kind in Lambs Händen, das nach Aufmerksamkeit hungert und mit jugendlicher Unbedarftheit sehr schnell Zuneigung entwickelt. Sie kann nur hoffen, dass Lamb das nicht weiter ausnutzt …

Auf der Liste der schlimmsten, erschreckendsten und erschütterndsten Bücher, die ich je gelesen habe, stehen bisher We need to talk about Kevin von Lionel Shriver und Die Glasfresser von Giorgio Vasta. Nun gesellt sich Mr. Lamb von Bonnie Nadzam dazu. Ich ertappe mich während der Lektüre mehrfach bei Gedanken wie Ohgottohgottohgottwiekrankistdasdenn. Abscheu, Ekel und Gänsehaut schütteln mich. Die amerikanische Autorin erzählt in ihrem Debüt eine Geschichte, die so abwegig nicht ist – und sich trotzdem von vorn bis hinten anhört wie der Alptraum jeder Mutter einer Tochter. Die Sprache ist seltsam distanziert, und mit Formulierungen wie „Nehmen wir einmal an, …“ oder „Sagen wir, das und das ist passiert …“ nimmt die Erzählstimme ganz bewusst Abstand von den Ereignissen. So erfahre ich nicht, wie Tommie sich fühlt, was sie denkt, und auf die verqueren Motive von Lamb bzw. die Arten, wie er sich seine Handlungen schönredet, bekomme ich nur Hinweise: „Seine Gedanken schwankten hin und her, zwischen Mitleid für das Mädchen und dem Wunsch, sie zu zerdrücken, zu zermalmen, zu ihrem eigenen Guten. Denn er wusste genau, wie ihr Leben aussehen würde, wenn er sie wieder nach Hause brachte, und es war ein trostloses und schreckliches Geheimnis, das er und die ganze Welt vor ihr verborgen hielten, und dass er es vor ihr verborgen hielt, war das Schlimmste überhaupt, weil sein Auftauchen in ihrem Leben – diese plötzlich entstandene und ungewöhnliche Freundschaft – möglicherweise der einzige Lichtblick war, die einzige Abweichung von einem ansonsten vorbestimmten Lebensweg.“ Je mehr Lamb sich selbst und mir einredet, er tue Tommie etwas Gutes, umso heftiger wird mein Wunsch, ihm in die Eier zu treten.

Sprachlich ist Mr. Lamb hervorragend, Bonnie Nadzam entwickelt einen eigenartigen, interessanten Singsang in ihren Dialogen, der Tommie und mich einlullt, durchbrochen von halbpoetischen Landschaftsbeschreibungen. Lamb plant sein Vorgehen akribisch und spinnt ein Netz aus Lügen, in das er Tommie so fest einwickelt, dass sie sich sicher fühlt wie in einem Kokon. Dies ist ein Roman, der mir Angst macht und mich aufwühlt, mich abstößt und vor Mitgefühl zerfließen lässt. Ein Wahnsinn von einem Buch, messerscharf, klinisch kühl, gruselig, menschlich, irgendwie pervers. Lamb nennt Tommie sein Schweinchen, das eigentliche Schwein ist aber er: Er nimmt sich ein Kind und spielt damit zu seinem Zeitvertreib wie mit einer Puppe, die er danach achtlos an den Straßenrand wirft. Mr. Lamb, das auch mit einem richtig coolen Cover daherkommt, ist ein erstaunliches Debüt, ein mutiges, brutales, grausiges Buch, das man nicht gern liest, aber vielleicht gelesen haben muss. Und das ich garantiert niemals mehr vergessen werde.