Für Gourmets: 5 Sterne

Astrid Lindgren: Das entschwundene Land

Lindgren„Denn ohne Freiheit welkt die Blume der Fantasie, wo immer sie auch blühen mag“

„Diese Edit – gesegnet sei sie jetzt und allezeit – las mir das Märchen vom Riesen Bim-Bam und der Fee Viribunda vor und versetzte meine Kinderseele dadurch in Schwingungen, die bis heute noch nicht ganz abgeklungen sind.“

Das schreibt die großartigste Kinderbuchautorin der Welt, Astrid Lindgre, und ich frage mich: Wem von uns ging es so mit Ronja und Pippi, mit Mio und Matilda? Sie hat so viele Kinderseelen in Schwingungen versetzt – auch meine.

„Allmählich lernte ich selber lesen und ging auf die Jagd, um meinen wilden Lesehunger zu stillen“ – einen Hunger, der auch in mir seit Jahrzehnten rumort.

„Ein Buch ganz für sich allein zu besitzen – daß man vor Glück nicht ohnmächtig wurde! Noch heute weiß ich, wie diese Bücher rochen, wenn sie funkelnagelneu und frisch gedruckt ankamen, ja denn zunächst einmal schnupperte man daran, und von allen Düften dieser Welt gab es keinen lieblicheren. Er war voller Vorgeschmack und Erwartungen.“

Ja, wie sie hier sprüht vor Begeisterung, fühle ich mich der jungen Astrid verbunden wie jedem Menschen, der von der Liebe zu den Büchern befallen ist.

Eigentlich ist es jedoch eine ganz andere Liebe, von der Astrid Lindgren in diesem (leider!) sehr schmalen Buch erzählt: der Liebe zwischen ihren Eltern. Schlicht ist sie und alltäglich und gerade deshalb etwas Besonderes – wie zwei sich fanden irgendwo an einem kleinen Ort in Schweden, wie sie sich verliebten und einander schrieben, Samuel und Hanna, wie sie heirateten, Kinder bekamen, einander zur Seite standen bis in den Tod.

„Jetzt will ich eine Liebesgeschichte erzählen, keine, die ich gelesen oder mir ausgedacht, sondern nur eine, die ich gehört habe. Darin ist mehr Liebe als in allen, die ich in Büchern fand, und für mich ist sie rührend und schön.“

So beginnt Astrid Lindgrens Bericht über die Liebe ihrer Eltern und ihre eigene Kindheit, über eine Zeit, die längst vergangen ist, und alles, was in ihr wertvoll war. Ich liebe alte Geschichten, die wahr sind, liebe schwarz-weiße Fotos von Menschen mit ernsten Gesichtern, liebe diesen Blick in die Vergangenheit. Und noch viel besser ist es, etwas zu erfahren über jemanden, der für das eigene Leben eine Bedeutung hat, deshalb bin ich Astrid Lindgren, die so viel Einfluss auf meine Kindheit und meinen weiteren Weg hatte, sehr gern durch ihre Kinderzeit gefolgt.

„Zweierlei hatten wir, das unsere Kindheit zu dem gemacht hat, was sie gewesen ist – Geborgenheit und Freiheit. Wir fühlten uns geborgen bei unseren Eltern, die einander so zugetan waren und stets Zeit für uns hatten, wenn wir sie brauchten, uns im übrigen aber frei und unbeschwert auf dem wunderbaren Spielplatz, den wir in dem Näs unserer Kindheit besaßen, herumtollen ließen.“

Das rührt mich tief, denn auch ich bin ein Draußenkind, aufgewachsen in den Bergen, ich war jeden Tag im Wald unterwegs, völlig unbehelligt von Erwachsenen.

Wehmütig machen mich zudem Astrid Lindgrens Schilderungen all dessen, was es damals gab und nicht mehr gibt, was unwiederbringlich verloren ist. Nun, da ich diese Zeilen von ihr gelesen habe, dieses Sammelsurium aus kurzen Notizen, von denen ich mir noch viel mehr gewünscht hätte, ist mir diese einzigartige Frau noch mehr ans Herz gewachsen.

„Ja, das grenzenloseste aller Abenteuer der Kindheit, das war das Leseabenteuer. Für mich begann es, als ich zum erstenmal ein eigenes Buch bekam und mich da hineinschnupperte. In diesem Augenblick erwachte mein Lesehunger, und ein besseres Geschenk hat das Leben mir nicht beschert.“

Für dieses Geschenk, liebe Astrid Lindgren, danke ich dir.

Das entschwundene Land von Astrid Lindgren ist erschienen im Oetinger Verlag (ISBN  978-3-8415-0168-4, 107 Seiten, als Taschenbuch 7,99 Euro).

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