Gut und sättigend: 3 Sterne

Andrew Michael Hurley: Loney

hurley„Der Tod hat das Timing eines grottenschlechten Komikers“
„Doch so öde und nichtssagend The Loney auch wirken mochte, es war ein gefährlicher Ort. Ein rauher, nutzloser englischer Küstenstreifen. Die tote Mündung einer Bucht.“ Dennoch kommt eine Handvoll gläubiger Katholiken jedes Jahr hierher, darunter der junge Tonto. Treibende Kraft ist seine Mutter, die durch das Aufsuchen der heiligen Stätten von The Loney erreichen will, dass Tontos Bruder Hanny von seiner Krankheit geheilt wird. Er spricht nicht, teilt sich nur durch Symbole mit, ist äußerlich fast ein Mann und innerlich noch ein Kind. Dieses Mal kommen sie mit ihrem neuen Pfarrer, weil Father Wilfred gestorben ist – unter mysteriösen Umständen. In den Augen von Tontos Mutter macht dieser neue Pfarrer jedoch alles falsch. Das ist aber längst nicht das Schlimmste, denn bei diesem Aufenthalt in The Loney läuft wirklich alles schief. Tonto und Hanny geraten in große Gefahr. Und dreißig Jahre später legt ein Erdrutsch plötzlich eine Babyleiche frei …

Was für ein beklemmendes und zutiefst aufwühlendes Buch! Allein der Ort, den der englische Autor Andrew Michael Hurley gewählt hat, und der Name, den er ihm gibt, geben Anlass für Gruselmomente. Ein trostloser Küstenstreifen, an dem die Flut regelmäßig Menschen in den Tod zieht, ein Haus mit einem verriegelten Zimmer, in dem Kinder gestorben sind, eine Mutter, deren Glaube schon an Wahn grenzt, ein toter Pfarrer, ein zurückgebliebener Sohn und mehrere zwielichtige Männer – das sind die Zutaten, aus denen Hurley sein Süppchen kocht. Was er serviert, könnte ein Thriller sein, ist aber keiner – zumindest kein klassischer, dazu ist das Buch zu melancholisch, zu sanft. Spannend, mitreißend, düster und rätselhaft ist es aber allemal.

Hurley hat einen Teenager zum Erzähler gemacht, der sich dreißig Jahre später an die Ereignisse von damals erinnert. Zwei Eigenschaften hat sein Roman an sich, die ich persönlich nicht mag: Er springt zwischen den Zeiten hin und her, wechselt abrupt von Vergangenheit zu Gegenwart und zurück, enthält aus dem Zusammenhang gerissene Vorausblenden, die in meinen Augen viel von der Spannung zerstören. Zudem werden nicht alle Fragen beantwortet, und ich kann es nicht leiden, wenn ein Buch mich ratlos zurücklässt. Nichtsdestotrotz ist Loney ein Roman, der mit Originalität und einer beeindruckend gespenstischen Atmosphäre punktet. Etwas in der Art hab ich noch nie gelesen, und ich geb es zu: Gegruselt hab ich mich auch.

Bestes Zitat:

„Pfarrer sind wie Ärzte. Sie wissen, dass man sie über Dinge belügt, von denen man meint, sie würden sie enttäuschen.“

Loney von Andrew Michael Hurley ist erschienen bei Ullstein (ISBN 9783550081378, 384 Seiten, 22 Euro).

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