Gut und sättigend: 3 Sterne

Anneliese Mackintosh: So bin ich nicht

Mackintosh„Wenn man lange genug über eine Sache redet, kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man sie tatsächlich will“
Gretchen ist ganz schön am Arsch. Sie trinkt zu viel, hat Narben vom Ritzen, kann keinen ihrer Freunde behalten und hat versucht, sich umzubringen. Sie hat Borderline, zumindest denkt das ihr Freund. Oder Ex-Freund. Oder einer der vielen Männer eben. Woher das kommt, dass Gretchen so am Arsch ist, das ist irgendwie unklar, denn ihre Kindheit – in der ja immer die Wurzeln für sämtliches gestörtes Verhalten liegen – war eigentlich sehr schön. Sie hat mit ihren Eltern und ihrer Schwester am Ende von England gelebt, mit Schafen und vielen wissenschaftlichen Vorträgen des schrulligen Vaters. Die Eltern haben einander geliebt und sie haben ihre Kinder geliebt, aber jetzt hat Gretchens Schwester noch viel öfter versucht, sich umzubringen, als Gretchen selbst, und der Vater ist tot. Die Leere in Gretchens Inneren lässt sich nicht füllen, nicht mit Sex, nicht mit Alkohol, also schreit Gretchen auf einer Theaterbühne verzweifelt und schreibt tragisch-traurige Geschichten.

Wenn in einem Buch viel gesoffen und gefickt wird, sind alle immer gleich so: Ohooo und Ach du meine Güte und Oh Gott. Das erklärt zu einem Teil den Hype um Anneliese Mackintosh und ihren rotzigen Stil. Da kotzt eine aufs Papier. Sie durchtränkt ihr Buch mit Tränen, Sperma, Schweiß und billigem Whisky. Die Ich-Erzählerin Gretchen ist ein Mädchen, das eigentlich alles hat und dennoch vor Unglück fast umkommt. Hat sie wirklich das Borderline-Syndrom? Woher kommt all der Selbsthass in ihr? Sind das einfach nur fette First World Problems? Sie sucht die Schuld bei den Eltern, bei den Männern, bei sich selbst, schiebt die Schuld von einem zum anderen, nirgends bleibt sie haften. Die Autorin, die wie ihre Protagonistin in Nottingham studiert hat, hat einen Master in Creative Writing, und bei manchen Sätzen merkt man das. Generell soll die Sprache aber ganz klar nicht schön sein, sondern knallig, hart, direkt und verroht. Das gelingt streckenweise gut, dann wieder weniger. Der jammernde Ton klingt manchmal auch einfach wie das Tagebuch einer Fünfzehnjährigen. In der Pubertät hasst man ja auch alle, einschließlich sich selbst.

So bin ich nicht ist kein Roman im eigentlichen Sinn. Es ist ein Sammelsurium aus Einzelstücken, fast kolumnenartig, ein Mix mit Ansichten über die Welt ohne erkennbare Reihenfolge. In Gretas Storys – wie der Untertitel sagt – geht es um Sex und Alkohol, um den Versuch, die Liebe zu finden, um den Tod eines Vaters und um Weihnachten, um das Vermissen, um Wut und ums Lesbischsein. Irgendwie geht’s halt um alles, was einer jungen Frau mal so einfallen kann. Der Klappentext schubst den Leser ein wenig in die falsche Richtung, weil er vermuten lässt, das Buch sei auf freche Art witzig. „Greta will nur Liebe, Glück, Mittag essen mit Margaret Atwood und endlich einen richtigen Orgasmus.“ Hört sich an wie heitere, leichte Ach-wir-Frauen-wieder-Unterhaltung. Aber So bin ich nicht ist nicht witzig. Nicht einmal ein bisschen. Von leichter Kost ist Anneliese Mackintosh so weit entfernt wie ich von der Victoria’s-Secret-Modelfigur, und glaubt mir, das ist weit. Dieses Buch ist fies und übel und es stinkt. Es ist Kotze und Pisse und Gehirnwichserei, und zwar so viel davon, dass ich zwischendrin manchmal entnervt dachte: Ist ja schon gut, ey, ich hab’s verstanden! Das ist vielleicht nicht sehr feinfühlig von mir, aber nun ja – so bin ich nicht.

So bin ich nicht von Anneliese Mackintosh ist erschienen im Aufbau Verlag (ISBN 978-3-351-03628-7, 256 Seiten, 19,95 Euro).

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