Gut und sättigend: 3 Sterne

Lisa Moore: Der leichteste Fehler

Moore_24723_MR2.indd„Es gibt Fehler, die mitten auf dem freien Feld stehen und um Liebe betteln“
David Slaney ist nach vier Jahren Haft aus dem Gefängnis ausgebrochen und auf der Flucht. Dorthin gelangt war er, weil er mit seinem Freund Hearn zwei Tonnen Marihuana von Kolumbien nach Neufundland schmuggeln wollte. In die Quere kamen ihnen der Nebel und die Fischer, von denen sie verpfiffen wurden. Nun wollen sie im Jahr 1968 einen zweiten Versuch wagen – und ausgerechnet den gleichen Coup noch einmal machen. Dabei könnte Slaney mit Jennifer, der Frau, die er liebt, und ihrer Tochter einfach fliehen und ein neues Leben beginnen. Stattdessen fährt er noch einmal hinaus aufs offene Meer, ins Hurrikangebiet, mit einem Koffer voll Geld, einem alkoholkranken Skipper und dessen Jahrzehnte jüngerer Freundin – und mit der Polizei direkt auf seinen Fersen.

Lisa Moore gehört zu den bekanntesten Autorinnen Kanadas. Für ihren dritten Roman Der leichteste Fehler hat sie sich einen jungen, charismatischen Helden erdacht – gut aussehend und verwegen. Und geldgierig. Und dumm. Von Anfang an liegt der drohende Untergang in der Luft – und es scheint klar zu sein, dass bei der zweiten Drogenschmuggelmission erneut alles schiefgehen wird. Ich möchte hineinspringen in das Buch und mich David Slaney in den Weg stellen, ihn hindern daran, sich selbst das Leben zu zerstören. Nebenfigur Patterson, der Polizist, der auf Slaney angesetzt ist, will ihn unbedingt schnappen, um befördert zu werden – und hat in den 1960er-Jahren nicht annährend die Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung, die es heute gibt. Er nutzt aber einen neuartigen Peilsender, von dem Slaney nichts ahnt. Ihm gegenüber schwanke ich permanent zwischen Mitleid und Selbst-schuld-Unverständnis.

Lisa Moore bedient sich einer überraschend männlichen Sprache, wenn ich ein so unfundiertes Adjektiv verwenden darf. Sie ist barsch, rau, geprägt von Adrenalin, Testosteron und Abenteuerlust. Zwischendrin jedoch schillert sie in den genialsten Farben und zeigt sich ebenso melodisch wie poetisch – besonders auf den ersten Seiten. Mit ihrem erstklassigen Stil hat sie mich gleich gefangen, inhaltlich kommt mir die Story zu langsam in die Gänge – es dauert ewig, bis das Schiff endlich ablegt. Zudem sind die Wendungen doch eher vorhersehbar. Dennoch bietet Der leichteste Fehler feine, niveauvolle und actionreiche Unterhaltung.

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Der leichteste Fehler von Lisa Moore ist erschienen bei Hanser Literaturverlage (ISBN 978-3-446-24723-9, 368 Seiten, 22,60 Euro).

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