Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Giovanni Montanaro: Alle Farben der Welt

Montanaro„Wenn dich ein Buch beeindruckt, dann deshalb, weil es mit dem Herzen geschrieben ist, mit Demut und Schlichtheit“
„Eigentlich gibt es doch niemanden, der keine Geschichte hat. Meinen Sie nicht auch? Jeder erfährt die Liebe, die Nacht, die Stille, und jeder erfährt auch die Unzuverlässigkeit der wünschenswerten guten oder schönen Dinge.“ Dieses Buch ist ein Brief, ein langer, sehr persönlicher Brief, den die junge Teresa an Monsieur van Gogh schreibt. Sie wächst ohne Eltern in einem ganz besonderen Dorf auf, im flandrischen Geel, wo die Geisteskranken ganz normal mit den Gesunden zusammenleben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts taucht hier ein halb verwahrloster Mann auf, von dem man nicht weiß, ob er zu den Gesunden oder zu den Verrückten gehört, und in den Teresa sich verliebt. Sie erkennt in ihm den Maler, von dem er selbst noch nicht viel weiß, und besorgt ihm Farben. Doch das Glück ist nur von minimal kurzer Dauer, denn van Gogh verschwindet – und Teresas Leben nimmt eine dramatische Wendung.

Es gibt diese Bücher, die sind einfach nur schön. Leicht. Klug. Lebendig. Alle Farben der Welt von Giovanni Montanaro gehört dazu. Der junge italienische Autor, der in Venedig lebt, wurde vielfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Premio Campiello – und verwebt in seinem dritten Roman sehr meisterhaft Realität und Fiktion. Van Gogh hat tatsächlich gelebt, er war wirklich Maler und er bewegte sich nah am Rand zum Wahnsinn. Ob er jemals in Geel war, lässt sich nicht beweisen. Möglich ist es. Mit seiner Ich-Erzählerin Teresa hat Giovanni Montanaro ein zartes, hilfloses und letztlich sehr verletztes Wesen geschaffen, das für seine Andersartigkeit einen hohen Preis bezahlt. Er findet sanfte, ruhige Worte, die trotzdem viel Gefühl, Sehnsucht, Wut und Traurigkeit transportieren. Um im Bild zu bleiben: Er malt mit wenigen, sehr klaren Strichen, die in überraschend kurzer Zeit ein wunderschönes Gesamtbild ergeben. Es geht um Verlorenheit in diesem Buch, um unerfüllte Wünsche, um die Kunst und um die brutalen, unmenschlichen Methoden in den Irrenhäusern jener Zeit, denen niemand entkommen konnte, der einmal drin war. Dies ist ein Roman, der in allen Farben funkelt, ein Juwel, das leuchtet, bunt und klein und schlicht und wundervoll. Er sollte unbedingt einen Platz in eurem Bücherregal finden!

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Alle Farben der Welt von Giovanni Montanaro ist erschienen in der DVA (ISBN 978-3-421-04587-4, 176 Seiten, 16,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– Sehr schön besprochen wird der Roman auf buecherrezensionen.org, wo er auch in der Liste der Lieblingsbücher im Herbst 2013 steht.
– Auch lesefieber.ch ist ein Fan des Buchs.
– Drei Rezensionen zum Roman sind auf wasliestdu.de versammelt.
– „Ein bezauberndes Buch mit ungewöhnlichen Protagonisten, das den Leser berührt und zeigt, welche Macht Farben haben können“, heißt es auf vonmainbergsbuechertipps.wordpress.com.

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