Gut und sättigend: 3 Sterne

Chloe Hooper: Die Verlobung

HooperÜberleg dir gut, mit wem du dich einlässt …
Liese kommt, nachdem sie ihren Job als Innenarchitektin in London verloren hat, nach Australien, um für ihren Onkel, einen Immobilienmakler, zu arbeiten. Einer ihrer Klienten ist der steife, zurückhaltende Alexander, mit dem Liese eine Affäre beginnt. Sie treffen sich in den leerstehenden Wohnungen der Kunden, und Liese lässt sich für den Sex bezahlen – weil sie Schulden hat und weil es sie erregt. Als sie beschließt, das Land zu verlassen, lädt Alexander sie zu einem Abschluss-Wochenende auf sein Landgut ein und bietet ihr dafür eine sehr hohe Geldsumme. Liese willigt ein und findet sich fernab der Zivilisation schnell in einer beklemmenden Situation wieder: Während sie an ein nettes Sex-Stelldichein dachte, will Alexander sie hierbehalten. Für immer.

Die Verlobung von Chloe Hooper ist ein komplett gestörtes Buch. In ihrem dritten Roman erschafft die australische Autorin mit ihrer Ich-Erzählerin Liese eine Heldin, die sich ihrer selbst überhaupt nicht sicher ist. Lieses Selbstbild wackelt, sie ist als Erzählerin absolut unglaubwürdig, sie weiß nicht, wer was aus welchen Beweggründen tut und ist sogar geneigt, sich einreden zu lassen, dass sie wirklich eine Prostituierte ist. „Dieser Dreckskerl wollte eine verbriefte Hure mit einem Rucksack an schweinischen Anekdoten für die nächtliche Nutzung, die sich zugleich genügend schämte, um tagsüber schön unterwürfig zu bleiben.“ Ist das der Grund, warum Alexander Liese als Hure hinstellt? Aber wer hat dann die Briefe geschrieben, die genau das anscheinend beweisen? Und was will Liese eigentlich von dem blassen, unfreundlichen, unattraktiven Mann? Der Sex war stets unangenehm und befremdlich, und mit ihm in einem Haus zu sein, ist überaus anstrengend: Zwischen den beiden kommt nicht einmal ein normales Gespräch in Gang. Sie haben einander vorgespielt, andere Menschen zu sein, und haben sich in Wahrheit überhaupt nichts zu sagen. Trotzdem will Alexander Liese nicht gehen lassen. Oder bildet sie sich das nur ein? Stimmt das, was sie mir berichtet, überhaupt? Das Wochenende besteht aus einer Reihe von Demütigungen und Lügen, die immer komplexer und undurchsichtiger werden. Wer einen Thriller erwartet hat, wird enttäuscht. Und am Ende frage ich mich, wer nun eigentlich verrückt ist: Alexander, Liese oder ich.

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Die Verlobung von Chloe Hooper ist erschienen bei Liebeskind (ISBN 978-3-95438-031-2, 320 Seiten, 19,80 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Die Schriftstellerin Chloe Hooper hält ihren Roman gekonnt im Schwebezustand. Einzelne Szenen sind sehr konkret aus der Ich-Perspektive erzählt, aber die großen Zusammenhänge um die junge Protagonistin bleiben über weite Strecken unkonkret“, heißt es auf spiegel.de.
– „Es bestechen hier die elegante, penible Rätselstruktur, die Freiheit von Sprachklischees, obwohl doch gängige Motive des Thrillergenres zum Einsatz kommen. Man fühlt mit Liese, man misstraut ihr aber auch gehörig“, schreibt fr-online.de.
– Und hier könnt ihr das Buch bei ocelot.de bestellen.

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