Für Gourmets: 5 Sterne

Simone Lappert: Wurfschatten

IMG_7746Leben mit der Todesangst
Ada ist 25 Jahre alt, ausgebildete Schauspielerin, schön, eigenständig, klug. Und Ada hat Angst. Die Angst ist größer und stärker als Ada und hat die junge Frau so sehr im Griff, dass ihr zunehmend das Leben durch die Finger rutscht. Ada kann nicht schlafen, sie kann die Vorsprechen, zu denen sie eingeladen wird, nicht wahrnehmen, sie hat kein Geld, kaum Freunde, und die rosigen Aussichten werden auch immer weniger. Da Ada mit der Miete im Rückstand ist, bekommt sie völlig überraschend einen Mitbewohner in die Wohnung gesetzt: den jungen Goldschmied Juri, dessen Vater gestorben ist. Ada ist entsetzt und tut alles, um den Eindringling loszuwerden. Mit stoischer Geduld erträgt Juri ihre Kapriolen – bis es ihm reicht. Und erst da erkennt Ada, dass es so nicht weitergehen kann und dass es eigentlich die Angst ist, die sie endlich loswerden sollte …

Die Schweizer Autorin Simone Lappert nimmt mich in Wurfschatten mit auf eine ebenso unheimliche wie faszinierende Reise: in den Kopf eines Menschen, in dem ich Gedanken und Gefühle finde, die es in meinem eigenen Kopf nicht gibt. Das ist für mich extrem befremdlich und verstörend. Als Mensch, der sich überhaupt nix scheißt, möchte ich Ada am liebsten – ganz klischeehaft – schütteln und sagen: Mädel, was ist los mit dir? Andere haben Ebola, wo ist dein Problem? Aber mir ist natürlich klar, dass so eine Angst, wie Ada sie mit sich herumschleppt, genau das Gegenteil von rational ist und dass man sie nicht einfach so abschütteln kann. Genial finde ich die Idee der jungen Autorin, die bereits für ihre Lyrik ausgezeichnet wurde, ihrer ängstlichen Heldin einen fremden Mann in die Wohnung zu setzen und zu sagen: Na, Ada, was machst du jetzt? Das ist spannend, schafft Konfliktpotenzial und macht aus der Beschreibung eines von Angst gebeutelten Menschen eine echte Geschichte. Gekonnt weicht Simone Lappert dabei den Klippen der Klischees aus und schildert die Annäherung ihrer zwei Protagonisten so erfrischend, schön und unbedarft, dass ich ihr fast glaube, sie hätte das Ganze neu erfunden.

Wurfschatten ist ein kluges, kraftvolles und dabei doch leises Buch, das mit seinem ausgezeichneten Sprachstil aufhorchen lässt. Sehr elegant führt Simone Lappert ihr ängstliches Mädchen durch dieses Buch, sie hat Literarisches Schreiben studiert und weiß mit dem Werkzeug Sprache umzugehen. Ihre Sätze sind fein geschliffene Kunstwerke und übertreiben niemals, sehr klar und unbedarft kommen sie des Weges. Ein wunderbarer, lebensbejahender, grandioser Roman, den ich euch dringend empfehlen möchte.

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Wurfschatten von Simone Lappert ist erschienen im Metrolit Verlag (ISBN 978-3-8493-0095-1, 207 Seiten, 20 Euro).

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Noch mehr Futter:
– „Simone Lappert kann mit Worten jonglieren, sie nähert sich Ada auf behutsame Weise, kleidet in sprachliche Bilder, was sonst schwer zu erklären ist“, schreibt Sophie von Literaturen.
– „Wurfschatten ist ein wunderbar poetischer Roman. Eine Liebesgeschichte, die ganz zögerlich beginnt. Mit einem Flair für komische Situationen erzählt Simone Lappert leicht und beschwingt, wie die Heldin wieder langsam beginnt ins Leben zurückzufinden“, heißt es auf srf.ch.
– „Simone Lappert erzählt in ihrem Debütroman eine ungewöhnliche Girl-meets-boy-Story, durchaus morbide, doch dabei seltsam zärtlich“, erklärt Spiegel Online.
Hier könnt ihr der Autorin beim Lesen zusehen.
– Und hier könnt ihr den Roman bei ocelot.de bestellen.

0 Comments to “Simone Lappert: Wurfschatten”

  1. Danke für diese interessante Buchvorstellung!
    Ich muss jetzt mal googeln welche Bücher als “Indie” gelten, bisher dachte ich immer, das wäre nur die ohne Verlag.
    Lg Lara

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    1. Mariki Author

      Es ist auch ein wirklich interessantes Buch! Als Indie gelten Bücher aus unabhängigen Verlagen. Wenn du Lust hast, kannst du ja auch mal ein bisschen in unserem Gemeinschaftsblog We read Indie stöbern!

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  2. Langsatz

    Also, nun habe ich das erste mal ein von Ihnen empfohlenes Buch gelesen. Ja, ich habs gern gelesen, ich mochte die Sprache, ich konnte mich zeitweise sogar in diese “Krise von Frau” versetzen, einige Male wurde es mir aber chli zu banal. Da sagte ich mir dann jeweils: Ein Portrait einer ganz normalen Frau, welche ganz normale Sätze spricht, wie man sie eben in solchen Momenten sprechen kann. Und das ist gut so (leider musste ich mir das zwei, dreimal beim Lesen “sagen”, sonst hätte es für mich einige abfallende Stellen gehabt)… Die vorherigen Bücher waren Inhaltlich oder Sprachlich stärkere Kost (Arbeit und Struktur von Wolfgang Herrndorf), Grandhotel Bulgaria von Angelika Schrobsdorff, Pfaueninsel von Thomas Hettche (dieses zeitweilen ein sprachlicher Eiertanz)), da kann dann ein “Büchlein” aus dem “Jetzt”, dazu noch aus dem Land wo ich wohn, von einer Autorin die in “meiner” Stadt studiert hat, schon einen schweren Stand haben. Ausserdem ist die Glasglocke von Silvia Plath eins meiner absoluten Lieblingsbücher, auch wenn nicht ganz dasselbe Thema, trotzdem… Ich bin jedenfalls gespannt, wie es mir in 1, 2 Jahren ergehen wird, wenn ich das Buch wiederlesen werde.

    Ach ja, vielleicht störte mich auch einfach die übermotivierte Gestaltung des Buches, vielleicht hätte ich es “ernster” genommen, wäre das Layout ganz klassisch gewesen. Und hintendrein kein 2-seitiger Dankesbrief…

    So, mein Wort zu den “Ansprüchen”…. Grüsse und merci für den Buchtipp

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    1. Mariki Author

      Das klingt aber insgesamt doch recht positiv! Neben Silvia Plath und Wolfgang Herrendorf hat natürlich jeder einen schweren Stand. Aber immerhin haben Sie es fertig gelesen 😉 Pfaueninsel hab ich noch hier im Regal und bin gespannt.
      Und ich hoffe natürlich, dass mal wieder ein Buchtipp dabei ist, der Ihnen zusagt!

      Reply

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