Gut und sättigend: 3 Sterne

Ian McEwan: Solar

Ein Nobelpreisträger, der Klimawandel und das Innerste der Menschen
Beruflich ruht sich Michael Beard seit Jahren auf den Lorbeeren aus, die er sich als junger Physiker verdient hat, als er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Privat quält ihn das Ende seiner fünften Ehe mit der schönen jungen Patrice, das er durch seine zahlreichen Affären selbst heraufbeschworen hat, nun aber nicht verkraften kann. Patrice schlägt Beard mit seinen eigenen Waffen, er kämpft mit seinem verletzten Ego und den neuen Entwicklungen in der Physik, mit denen er nicht mehr Schritt halten kann. Er ist fettleibig, unsympathisch, versoffen, eingebildet und wehleidig. Doch dann tut sich plötzlich eine Möglichkeit auf für ihn, wieder nach oben zu gelangen, etwas wird ihm in die Finger gespielt, und in seiner Überheblichkeit kann er nicht widerstehen. Die Jahre vergehen, aber das Schicksal hat Geduld, wenn es Rache üben will …

Ian McEwan ist definitiv ein Star am Literaturhimmel und dürfte auch weniger belesenen Menschen ein Begriff sein, seit sein Roman Abbitte verfilmt wurde. Vor etwa 10 Jahren habe ich Enduring Love von ihm gelesen, das wesentlich melancholischer, dramatischer und verquerer war als Solar, vielleicht hat sich der Stil des Autors verändert und entwickelt, vielleicht hat er ihn bewusst je nach Roman modifiziert, oder es liegt am Sprachunterschied durch die Übersetzung. In Solar erinnert mich die Tonalität stark an Leon de Winter, dessen Bücher immer angenehm dahinplätschern und durchwegs gut erzählt sind. Worum also geht es wirklich in diesem neuesten Buch von Ian McEwan? Ein Mann steht im Mittelpunkt, der mit all den Schwächen der Menschheit gesegnet ist – Eitelkeit, Sturheit und Gier. In Kombination mit den hochaktuellen Themen Klimawandel, Umweltschutz und Sonnenenergie schafft der Autor eine anfangs scheinbar oberflächliche Geschichte, die sich als raffinierte Kritik an Wirtschaft, Gesellschaft und Umweltorganisationen entpuppt und flott liest.

Auf schlaue Art und Weise führt Ian McEwan dem Leser anhand von Michael Beard und einem vermeintlich harmlosen Betrug vor Augen, welch riesige Maschinerie aus Geld und Macht hinter dem Handel mit erneuerbaren Energien steckt, über dem der Deckmantel der vermeintlichen Rettung der Erde liegt. Mit seinem Protagonisten geht er dabei nicht sehr zimperlich um, was angenehme Schadenfreude weckt. Das ist unterhaltsam und regt zugleich zum Nachdenken an. Zwar geizt McEwan nicht mit Physik, bereitet sie aber verständlich auf. Das hochaktuelle Thema macht Solar zu einem lesens- und empfehlenswerten Buch, auch wenn ich der Meinung bin, dass es nicht McEwans bestes ist.

Solar ist erschienen im diogenes Verlag (ISBN 978-3257067651, 21,90 Euro).

4 Comments to “Ian McEwan: Solar”

  1. Iris Hechenberger

    Da mir Mariki dankenswerterweise das Buch ausgeliehen hat, möchte ich jetzt natürlich einen Kommentar abgeben. Ich glaube, ich muss noch mal über deine Kategorisierung sprechen, denn ich würde dem Buch glatt 5 Punkte geben.
    Ich finde es großartig, wie Ian McEwan seine Hauptfigur Beard auf ironisch-britische Art vorführt. Das Buch ist keine Sekunde langweilig, hat ein ungewöhnliches Thema, liest sich sehr unterhaltsam und ist doch nicht platt. Ich muss jetzt auf alle Fälle auch die anderen Bücher von McEwan lesen, da hab ich wohl was verpasst!
    Meine Lieblingsstelle übrigens: Wie Beard im Norwegischen Polareis versucht zu pinkeln …

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  2. Ian McEwan kenn ich nun wirklich schon 20 Jahre – und noch nie hat er ein so witziges Buch geschrieben. Das ist wirklich neu! Ich hab mich schief gelacht (besonders bei der Szene am Nordpol). Auch wenn “Solar” deshalb von vielen Kritikern relativ negativ beurteilt wurde, ich habe das Buch gut aufbereitet und spannend empfunden. McEwan kann man grundsätzlich jedem weiter empfehlen, der englische Literatur mag.

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  3. Ray

    Sorry, ich kann mich den bisherigen Kritiken leider in keinster Weise anschließen. Selten habe ich ein so langweiliges und banales Buch gelesen. Es zog sich hin wie ein alter Kaugummi, und selbst die Mord-/Unfallszene war läpsch. Wen interessiert die detaillierte Darstellung der Peinlichkeiten eines alternden und dick werdenden Professors, insbesondere seine Liebesversuche? Nie wieder werde ich meine Zeit mit McEvan verschwenden.

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