Gut und sättigend: 3 Sterne

Johanna Adorján: Eine exklusive Liebe

Ist gemeinsamer Selbstmord der Gipfel der Liebe?
Johanna Adorjáns Großeltern waren ungarische Juden, die den Holocaust überlebten – und sich gemeinsam im hohen Alter das Leben nahmen. Über ihre Erlebnisse im Krieg haben sie nie gesprochen. Jahrzehnte später macht sich die Enkelin auf die Suche nach Spuren ihrer Großeltern, um Einblick zu gewinnen in das Leben der beiden Menschen, die ihre Vorfahren sind und von denen sie so wenig weiß: Dass die Großmutter Kette geraucht hat und ausgesprochen elegant war, daran erinnert sie sich, dass der Großvater in Mauthausen gefangen war, das hat sie erzählt bekommen. Bei dem Versuch, die Geschichte ihrer Großeltern zu rekonstruieren, reist Johanna Adorján nach Paris und Israel, nach München und Kopenhagen, wo die beiden am Ende gelebt haben und wo sie gestorben sind. Sie spricht mit Weggefährten ihrer Großeltern und fragt sich: Was bedeutet es, die Enkelin jüdischer Holocaust-Überlebender zu sein? Und: Ist es wirklich der Beweis einer großen Liebe, wenn man sich zusammen umbringt? Sie findet vielleicht keine allgemeingültigen Antworten. Aber das, was sie findet, ist zumindest lesenswert.

Ich bin überrascht, wie gut in Eine exklusive Liebe Fiktion und Realität miteinander harmonieren. Für gewöhnlich sind mir echte Ich-Erzähler mit ihren Ansichten ja ziemlich wurscht. Aber Johanna Adorján schafft es, mich zu faszinieren: weil sie es gar nicht versucht. Sie erzählt völlig ohne Pathos davon, was die Tat ihrer Großeltern in ihr selbst und in den anderen Familienmitgliedern ausgelöst hat. Sie ist ehrlich und beschönigt nichts. Die Beziehung ihrer Großeltern, die sie fiktiv beschreibt, ist nicht im Übermaß liebevoll, die beiden siezen einander ihr ganzes Leben lang, sie sind genervt voneinander und streiten sich. Und doch gehen sie gemeinsam in den Tod. Sehr klar zeigt die Autorin auf, dass es dazu nicht unbedingt (nur) Liebe braucht, sondern auch eine gehörige Portion Egoismus. Ich mag das Buch wegen seines unaufgeregten Tons und auch deshalb, weil hier auf das große Drama verzichtet wird. Die kleinen Dramen sind im Endeffekt schon groß genug.

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