Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Helmut Krausser: Eros

Krausser Über den Wahn eines Liebenden
Alexander von Brücken hat Macht und Geld, aber nicht mehr lange zu leben. Ein Schriftsteller soll seine Erinnerungen in einen Roman verpacken – und kommt dazu auf das Brücken’sche Schloss, um sich die Lebensbeichte des reichen Unternehmers anzuhören. Von Brücken erzählt vom Krieg, von seinen Eltern, von der Firma und von der Frau, die er sein ganzes Leben lang geliebt hat: Sofie. Er lernt sie mit 14 im Luftschutzbunker kennen und verliebt sich, und Zeit ihres Lebens bleibt er bei ihr – auch wenn Sofie davon meist nicht einmal etwas bemerkt.

Ist es Liebe oder grenzenloser Wahn, was von Brücken empfindet? Er beobachtet Sofie, er ist ihr Schutzengel, er beschützt sie und hilft ihr – unerkannt. Und Sofie hat Schutz und Hilfe sehr wohl nötig: Sie studiert Politologie und gerät in den Strudel der Studentenaufstände, die der RAF vorangehen, sie trifft die falschen Freunde und die falschen Männer. Eros ist in dieser Hinsicht auch ein Abriss der deutschen Geschichte seit 1938, sozusagen in Zehnerschritten folgen wir der Frau und dem Land durch die Ereignisse bis in die graue DDR. Das ist spannend und interessant erzählt, gut geschrieben und sehr flüssig zu lesen.

Eingebettet in die Rahmenhandlung rund um den Ich-Erzähler, den namentlich nicht genannten Schriftsteller, ist der Bericht von Alexander – der Großteil des Romans ist daher sehr mündlich, was Helmut Krausser die Möglichkeit nimmt, allzu fantasievolle Metaphern zu gebrauchen. Stellenweise tut er es dennoch und schafft dadurch eine sprachlich niveauvolle Atmosphäre. Als dritte Perspektive gibt es jene von Sofie, die ganz vom auktorialen Erzähler betrachtet wird, vermutlich sind dies Ausschnitte aus dem Roman, der anhand von Alexanders Erzählung später entsteht. Dadurch ergibt sich ein rundes Bild, das beide Beteiligten zeigt, Sofie und Alexander. Ein paar wenige Schwachpunkte haben zum Verlust des fünften Punkts geführt, das Ende hat mich nicht ganz zufrieden gestellt, es war mir zu hastig und abrupt. In jedem Fall aber ist Eros ein lesenswertes Stück Literatur.

10 Comments to “Helmut Krausser: Eros”

  1. Hab übrigens gestern seinen neuesten Roman gelesen, “Einsamkeit und Sex und Mitleid”, in einem Rutsch. Groß-ar-tig! Solltet ihr alle unbedingt lesen, teils witzig-skurril, aber wieder sehr schön erzählt.

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  2. thessa

    Ganz ähnlich wie Sie, junge Frau. Durch die gewählte Erzählweise kann er sich metaphorisch nicht so auslassen.(Durch einige Stellen merkt man aber, dass er es könnte)
    Andererseits wird es dadurch authentischer.

    Ich hätte auch 4 von 5 Punkten gegeben.

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